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Kultur: „Eine Grenze hat Tyrannenmacht“

In der „Arche“: Vortrag über Graf von Stauffenberg

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In der „Arche“: Vortrag über Graf von Stauffenberg „Große Taten verlangen nicht nur Legitimation nach außen, für die Welt, vor der Zeit. Auch das Gewissen, oft als „Stimme Gottes im Menschen“ verstanden, will beruhigt sein. Extreme Taten wie ein Tyrannenmord suchen zudem nach Zeugenschaft, als sei es zu schwer, eine derart gewichtige Sache alleine zu tragen, man kennt ja aus dem antiken Drama die Folgen. Auch Claus Schenk Graf von Stauffenberg stand als Attentäter Hitlers und Vorbereiter eines Staatsstreiches in einem solchen Konflikt: „... der etwas zu tun wagt, muss sich bewußt sein, dass er wohl als Verräter in die deutsche Geschichte eingehen wird. Unterlässt er jedoch die Tat, dann wäre er ein Verräter vor dem eigenen Gewissen“. Nun hat es Jahre gebraucht, bis die Offiziellen aus einem „Treulosen“ jenen Widerstandskämpfer gemacht haben, wie er heute durch alle Medien geht. Zeit und Welt scheinen den Anschlag legitimiert zu haben. Nach Kanzler Gerhard Schröder soll es sich um einen „der wichtigsten Tage der deutschen Geschichte“ handeln. Die christlichen Kirchen stehen in der Rechtfertigung dieses Anschlages nicht zurück. EKD-Vorsitzender Huber lobte ihn kürzlich als „Vorbild für die Jugend“. Und die Katholiken? Zum Tag des Attentats, am 20. Juli, gab es auch in der „Arche“ einen Vortrag zu Stauffenberg, schliesslich galt der gräfliche Schwabe mehr oder weniger als guter Katholik. Dominik Scholz, Potsdam, stellte Stauffenbergs Leben in seiner Chronologie dar, suchte aber zugleich jenes geistige Band, welches den Weg des Reichswehr-Offiziers entgegen einem Schwur auf die „andere Seite“ führte; der – nach Versailles – Deutschlands „Erneuerung“ wollte und deshalb Hitlers Machtantritt zuerst begrüßte. Weil Hergang und Ende der Operation „Walküre“ („einziger Putsch, der vorher öffentlich geprobt wurde“) genug bekannt gemacht sind, dürften wenige Marginalien genügen. Von Charakter her aufrichtig, korrekt, oft unduldsam, war er besonders von Stefan George beeinflußt, einem Dichter mit prophetischem Selbstverständnis, ein Sucher nach der „höheren Würde des Menschen“ und der „geistigen Erneuerung Deutschlands“, freilich nicht im Sinne der NS-Propaganda. Doch auch Nazis brauchten „Zeugen“: Obwohl sich George gegen Vereinnahmung wehrte, machten sie ihn, wie Ernst Jünger auch, zu einem ihrer Vordenker. Bei Stauffenberg von einem „Aufstand des Gewissens“ zu reden, schien dem Referenten nicht ganz unproblematisch (obwohl bei der Diskussion jemand mitteilte, es würde ihn „empören“, wenn etwas gegen die mutige Tat dieses Mannes gesagt werden würde). Scholz, selbst Katholik, erwähnte zumindest, dass der Graf als Militär „keine ethischen Bedenken“ hatte, bei der Lage-Besprechung auch andere zu treffen – die Toten in Hitlers Baracke („Er hat getötet“) lasten auf seinem Gewissen: Vor dem Abflug nach Rastenburg holte er sich in einer Kirche Beistand am Altar – aber Hitler überlebte den Anschlag auf sonderbare Weise, wie mehr als 30 andere. „Wo beginnt eine Tat, bei der Planung, bei der Ausführung?“, fragte er behutsam. Nach dem Scheitern des Putsches in der Berliner Bendlerstraße blieb allein das Fanal für die Nachgeborenen, „es wenigstens versucht zu haben“. Nun konnte man auf Anfrage zwar keine Stellungnahme des Heiligen Stuhls für das Attentat benennen, aber es ist ganz interessant, wie Graf Stauffenberg das selber sah: Ja, er brauchte fremde Legitimation für seine Tat, die Zeugenschaft, als er zum Schwerte griff: Es sei überliefert, dass er oft aus Schillers „Tell“ („Eine Grenze hat Tyrannenmacht“ zitierte und sich ausdrücklich auf den „offiziellen Kirchenlehrer Thomas von Aquin“ berief, welcher seit dem 13. Jahrhundert Katholiken den Tyrannenmord genauso „erlaubte“ wie das „Magdeburger Bekenntnis“ (1560) den Protestanten, so hörte man. Die politische Seite einer solchen Tat mag unbestritten sein, zumal es auch heute so viele Attentäter gibt, meistens nur „böse“. Wie ein Christ dies aber mit dem 6. Gebot vereinbaren kann, bleibt ein Geheimnis. Still und kommentarlos stellte Scholz die wichtigste Frage ganz an den Schluss: „Wenn der 20. Juli nicht stattgefunden hätte, wie ständen wir jetzt da?“ Gerold Paul Die nächste Veranstaltung in der „Arche“, Am Bassin 2, findet morgen, 19.30 Uhr, statt. Thema: „Das „Nein“ zu Gott in Dostojewskis Roman „Die Dämonen“

Gerold Paul

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