Kultur: Eine Hanswurstiade
Haydns Marionetten-Singspiel „Die Feuersbrunst“ feierte im Schlosstheater seine Premiere
Stand:
Die Wissenschaft hat laut Programmheft der Musikfestspiele zu ihrer Produktion „Die Feuersbrunst“ im Schlosstehater im Neuen Palais festgestellt, dass Joseph Haydns musikalische Hanswurstiade nur für das Hauspersonal und die niederen Beamten von Schloss Esterháza bestimmt war. Wie erheiternd wäre doch die Vorstellung gewesen, der geschichtsnotorisch „prachtliebende“ Fürst Nikolaus I. Esterházy nebst Anhang hätte sich heimlich feixend an den wenig feinen Streichen des Kaminkehrers Wurstl belustigt. Das gemischt vornehme Publikum im Schlosstheater jedenfalls amüsierte sich bestens.
Fürst Esterházy war der Dienstherr Joseph Haydns. Er war kunst- und vor allem musikliebend. Seine besondere Vorliebe galt der Oper und ebenso dem – selbstverständlich musikalischen – Marionettentheater. Vor allem Rechnungen von Puppenschnitzern und Dekorateuren belegen einen eifrigen Spielbetrieb in der Sommerresidenz. Der Anfang vom Ende kam, als eine Frau auf den Plan trat. Die Seele des Marionettentheaters, ein gewisser Pauersbach, heiratete die Sängerin Maria Anna Tauber. Diese gefiel weder in Esterháza noch in Wien und das Ehepaar zog verärgert von dannen. Kurze Zeit darauf brannte das Theater ab. Dann verstarb der Fürst und hinterließ 3,8 Millionen Gulden Schulden. Eine Komtesse kaufte die Reste der Marionetten; die Partituren und Textbücher zerstreuten sich nach und nach in alle Welt, viel verbrannte im Zweiten Weltkrieg. Das Original-Material zur „Feuersbrunst“ befindet sich nunmehr in der Yale Library in den USA.
Das eigentlich Komische des Werkchens liegt in dem in der Aufführung genüsslich und immer wieder neu zelebrierten Widerspruch zwischen Text und Musik. Klassisch edle, durchaus für jede „anständige“ Opera buffa oder seria taugliche melodische Einfälle, Koloraturen, Verzierungen oder dramatische Aufwallungen begleiteten beispielsweise die Aufforderung „schön den Rauchfang auszuputzen“ oder librettistische Feinheiten wie „potz tausend Fickerment“. Im dramatischen Rezitativ wurde so Bedeutendes wie eine schlafende Katze besungen. Die Sänger im Schlosstheater, Otto Katzameier, Andreas Karasiak, Isa Katharina Gericke und Ferdinand von Bothmer, überboten einander in Herausarbeiten solcher skurriler Kontraste und komischer Wirkungen. Einer war dabei besser als der andere.
Die Katze übrigens befindet sich im Keller eines Hauses und bewacht angeblich spukend ein kostbares Kleinod. Hanswurst geht mutig hinunter weil er das Feuerwerk für den fürstlichen Ball holen soll. Die Katze, in Wirklichkeit ein veritables Gespenst, erschreckt ihn so, dass das Feuerwerk losgeht und das Haus abbrennt. Leider verliert Colombine dabei ihre Ballkleider und so wird nichts aus der Hochzeit mit dem vornehmen Leander. Der allerdings wollte sie sowieso nur als „Aperitif“ und nicht als „ganzes Menü“. Für diese Untat droht ihm Hanswurst mit Prügel seitens Colombinas Vaters, der er nur durch die Flucht entgehen könne. Dazu müsse man die Kleider tauschen. Vornehm ausstaffiert und mit dem vergessenen Geldbeutel Leanders ausgestattet, kommt Hanswurst nun wieder als Bräutigam für Colombine in Frage. Nach Auftritten als Schneiderin, als alte Wahrsagerin, die Colombine die wahre Liebe zum Hanswurst aus der Hand liest, kommt alles zum glücklichen Ende.
Der Aufwand für den heiter leichten Abend war beträchtlich. Das Theater Comédie Soleil Potsdam gestaltete mit vier Sprechern die witzigen Dialoge in der deutschen Fassung von Dörte Reisener. Hans-Werner Bussinger glänzte dabei als Hanswurst mit gröblichster Wiener Grantelei, ebenso gut schnarrte er preußisch, als Hanswurst im Soldatenkostüm auftrat. Den Kellergeist und den Gutsverwalter gab er obendrein. Die anderen drei begnügten sich, nicht weniger charakteristisch, mit je einer Rolle. The Carter Family Puppet Theatre aus dem fernen Seattle im Nordwesten der USA ließ die Marionetten tanzen. Man ahnt als Zuschauer wenig von der Kunst, die für jene phantasievolle Selbstverständlichkeit nötig ist, mit der sich die wunderbaren Puppen bewegen.
Andreas Spering indes beseelte den gesamten Abend als musikalischer Leiter. Seine „Capella Augustina“, das Festivalorchester der Brühler Schlosskonzerte, spielte so lebhaft kontrastreich und gestisch genau, dass man vermeinte, das zerbrechliche Holz historischer Marionetten klappern zu hören. Er ließ Hanswurst orchestral schnauzen und Colombina säuseln, zerpiekste Luftballons als explodierendes Feuerwerk und pfiff die Puppen aus dem Himmel und aus der Versenkung herbei. Alles stimmte, aber die himmelhohen Hornstellen wurden grandios gemeistert. Langer und herzlicher Beifall galt am Schluss allen Mitwirkenden.
Irene Constantin
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: