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Kultur: Eine „kompositorische Heldentat“

Mit seiner 3. Sinfonie, der „Eroica“, betrat Beethoven musikalisches Neuland

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„Alle neun Sinfonien an vier Tagen“ heißt es im Februar bei der Kammerakademie Potsdam. Ein Konzertmarathon mit den Sinfonien von Ludwig van Beethoven, wie ihn das Orchester noch nie bestritten hat. Die PNN stimmen in den kommenden Wochen mit regelmäßigen Beiträgen auf dieses Konzerterlebnis ein. Heute geht es um Beethovens 3. Sinfonie, die „Eroica“.

Selbst Beethovens Schüler waren verwirrt. So soll der Pianist und Komponist Ferdinand Ries bei der ersten Probeaufführung der 3. Sinfonie Ende Mai 1804 im Palais Lobkowitz über einen Musiker gesagt haben: „Der verdammte Hornist! Kann der nicht zählen? – Es klingt ja infam falsch!“ Doch was Ries da so infam falsch empfand, eine Dissonanz durch das Vorwegnehmen des Hauptthemas durch besagten Hornisten im ersten Satz, war von Beethoven so gewollt. Und es hat nicht viel gefehlt und Ries hätte von seinem Lehrer, der die Probe vom Saal aus genau verfolgt, für seinen Kommentar eine kräftige Ohrfeige gefangen.

Als eine „kompositorische Heldentat“ hat Jan Caeyers die 3. Sinfonie in seiner Biografie „Der einsame Revolutionär“ bezeichnet. Doch Beethovens Zeitgenossen sahen das ein wenig anders. So soll bei der öffentlichen Uraufführung in der Akademie des Theaters an der Wien am 7. April 1805 aus den Zuschauerreihen der Ruf erklungen sein: „Ich gäb’ noch einen Kreuzer, wenn’s nur aufhört.“ Dass sein neues Werk an diesem Tag beim Wiener Publikum auf nicht sehr viel Gegenliebe stoßen würde, war Beethoven, der das Konzert dirigierte, sehr schnell klar. Ohne sich nach dem Ende noch einmal an das Publikum zu wenden, verließ er den Saal.

Beethoven war sich bewusst, dass er mit der 3. Sinfonie von seinen Hörern viel verlangte. Allein die Länge von knapp einer Stunde war damals ein Novum. Von „seltsamen Modulationen und gewaltsamen Übergängen“ schrieben die Kritiken; und dass sich hier ein „ganz ungebändigtes Streben nach Auszeichnung und Sonderbarkeit“ offenbare. Doch was Beethovens Zeitgenossen so verwirrte, was sie als ein Streben nach Auszeichnung und Sonderbarkeit bezeichneten, war sein deutlicher Schritt auf musikalisches Neuland. Die 3. Sinfonie kann als endgültiger Abschied von Mozart und Haydn gesehen werden. Und auch wenn sie tänzerische Elemente enthält, ist sie weniger unterhaltsam, sondern als eine Art musikalisches Ideenkunstwerk eine Herausforderung. Wie Caeyers in seiner Beethovenbiografie schreibt, offenbart sich in dieser Sinfonie ein „scheinbar paradoxes Kompositionsgesetz: Je länger die Dauer des Musikstücks, desto geringer sollte die Anzahl der Themen sein, desto enger aber andererseits der Zusammenhang zwischen diesen Themen“.

Markus Krusche, Klarinettist der Kammerakademie, bezeichnet die 3. Sinfonie als eine Art Hauptwerk. „Es ist immer wieder unglaublich, sie zu spielen. Was da passiert und was man neu entdeckt, auch wenn man denkt, man kennt alles schon. Aber man entdeckt immer neue Sachen. Auch weil die Ansprüche wachsen, man reifer wird.“ Beethoven empfahl, die 3. Sinfonie immer an den Anfang eines Konzerts zu stellen, wenn das Publikum noch frisch und nicht ermüdet sei. Doch wenn die Kammerakademie Potsdam am Donnerstag, dem 13. Februar, den viertägigen Beethovenmarathon eröffnet, wird auch die 3. Sinfonie zu hören sein. Aber erst am Ende des Konzerts. Vorher spielt die Kammerakademie noch die 1. und 2. Sinfonie. Eine ganz besondere Herausforderung auch für die Musiker. „Die 1. und 2. verlangen von einem unglaublich viel Spielfreude. Wenn die nicht kommt, wirken die wie kalter Kaffee. Als Musiker kann ich da nicht sagen: Jetzt schone ich mich, weil danach die Eroica kommt“, sagt Krusche.

Ursprünglich für Napoleon Bonaparte geschrieben, zu dem Beethoven zeitlebens ein gespaltenes Verhältnis hatte, erhielt die Sinfonie erst spät den Beinamen „Eroica“, nach Beethovens handschriftlichem Eintrag über dem zweiten Satz „Marcia funebre sulla morte d’un Eroe“ (Trauermarsch auf den Tod eines Helden). Durch Bonapartes Ägyptenfeldzug im Jahr 1798 soll Beethoven zur Komposition seiner 3. Sinfonie angeregt worden sein. Da blickte Beethoven noch voller Bewunderung auf den französischen Feldherrn. Doch dessen wachsende imperiale Ansprüche und dann die Selbstkrönung zum Kaiser im Dezember 1804 führten dazu, dass Beethoven Abstand davon nahm, der Sinfonie den Titel „Bonaparte“ zu geben. Bekannt ist vielen die Episode, ob nun wahr oder nicht, in der Beethoven mit den Worten: „Ist der auch nichts anders, wie ein gewöhnlicher Mensch!“ das mit „Bonaparte“ betitelte Deckblatt der Sinfonie zerriss.

Für Jan Böttcher, Oboist der Kammerakademie, ist diese „kompositorische Heldentat“ vor allem eine „Oboensinfonie“. Von Anfang bis Ende ist sie von Oboensoli geprägt. Schon im Studium wurde er mit der 3. konfrontiert, wie auch seine Kollegin Birgit Zemlicka-Holthaus. „Wir haben viel zu tun, aber was mir bei Beethoven immer wieder auffällt: Da ist keine Note zu viel“, so Birgit Zemlicka-Holthaus.

Ein Kritiker hatte nach der Uraufführung der 3. Sinfonie gewarnt, „wenn Beethoven auf diesem Wege fort wandelt, so werde er und das Publicum übel dabei fahren“. Doch zum Glück hat er sich davon nicht beirren lassen. Wer das nicht glaubt, dem ist der Auftakt des Beethovenmarathons mit den Sinfonien 1 bis 3 nur ans Herz zu legen.

Die Kammerakademie Potsdam unter der Leitung von Antonello Manacorda spielt vom 13. bis 16. Februar alle neun Sinfonien von Beethoven im Nikolaisaal in der Wilhelm-Staab-Straße 10/11. Weitere Informationen und Karten unter www.kammerakademie-potsdam.de

Dirk Becker

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