
© Manfred Thomas
Von Daniel Flügel: Eine Liebeserklärung
TV-Moderator Dieter Moor hatte die Waschhaus Arena im Griff und zeigte sich hingerissen von der preußischen Klarheit
Stand:
Nicht selten entfalten sich humorvolle Texte erst richtig, wenn man sie laut vorliest. Verfügt man dann als Vorleser über ein gewisses dramaturgisches Geschick und ist man zudem noch mit Esprit und einer vollen, einnehmenden Bassstimme gesegnet, kann die Lesung leicht zur genussvollen Darbietung geraten.
Als Dieter Moor am Samstagabend in der restlos ausverkauften Waschhaus Arena aus seinem erfolgreichen Buch „Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht“ Auszüge zum Besten gab und dabei einen Schenkelklopfer nach dem anderen landete, konnte man fast glauben, der gesamte Text sei eigens auf witzige Pointen und das laute Vortragen hin konzipiert worden oder man selbst wäre einer Hörbuchaufnahme zugegen. Begeisterung allenthalben über die so spiellaunige, brillante Präsentation unterhaltsamer Kurzweil, die nicht mal Literatur sein will. Doch nicht nur der Potsdamer Buchhändler Carsten Wist, der den Abend moderierte, war sich am Ende sicher, eine der besten Lesungen seit Langem, wenn nicht gar die beste Lesung bisher dort erlebt zu haben.
Auch als Heimspiel hätte der gebürtige Schweizer Dieter Moor seinen Auftritt in der Landeshauptstadt betrachten können, lebt er doch seit bald zehn Jahren zusammen mit seiner Frau Sonja in der brandenburgischen Provinz, im nordöstlich von Berlin gelegenen Dörfchen Hirschfelde (Landkreis Barnim), seinem „Amerika“, wie er es in seinem Buch nennt, das eine große Liebeserklärung an Land und Leute ist. Danach sah es anfangs jedoch nicht aus. Barg der spontane Kauf von Haus und Hof schon so manche böse Überraschung, so endete auch die erste Anreise zunächst einmal mitten im Wald. Schon aus der einfachen Situation des sich in der Fremde Verirrens, verstand es Moor glänzend, ein Großmaß an Komik herauszuholen und mit diesem Fingerspitzengefühl fortan sämtliche Lacher auf seine Seite zu bringen. Des öfteren unterstützte ihn dabei noch der „kleine Schweizer“, seine innere, um Ordnung bemühte Stimme, die Moor natürlich in reizendem Schwyzerdütsch reden ließ, während er das brandenburgische Lokalkolorit, obwohl dessen mächtig, bewusst nur gelegentlich imitierte. Das sei ihm peinlich. Um seine Nachbarn, die einheimischen „Amerikaner“ zu beschreiben, reichte Moor oft schon ein schlichtes „jut“ inmitten der lakonisch witzigen, sehr beherzten Skizzierungen eines Landstrichs und seiner Bewohner.
Da saß jemand in seinem blütenweißen Hemd auf der Bühne, dem man einfach seine Hingerissenheit für die preußische Klarheit eines stiernackigen Bauern Müsebeck ebenso glaubte wie seine augenzwinkernde Bewunderung für die spröde, in ihrer geblümten Kleiderschürze steckende Frau Widdel, die in ihrem Dorfkonsum, auf dessen Terrasse alte Männer dösen wie Cowboys vor einem Saloon, keine Frischmilch aber Unmengen Biersorten führt. Nein – das Anbiedern kann und will man Moor, der seine Raucherpause draußen, plaudernd verbrachte, einfach nicht unterstellen. Auch nicht, wenn er häufig die Mentalität der in sperrige Umgangsformen vernarrten und in ihren „Schlafdörfern“ hausenden Schweizer als überraschend bissige Persiflagen den Lobliedern auf die „arschlochfreie Zone“ gegenüber stellte. Denn schließlich freute sich der wahre Humorist Moor ja, als er endlich mit seinem Kindheitstraum, einem schweizerischen „Hürlimann-Traktor“, über den märkischen Sandboden tuckerte.
Doch als diesem Grundsympathie Zeitgenossen nach zweieinhalb Stunden, unter dem lang anhaltenden Beifall der 550 Gäste, die Freude ins Gesicht geschrieben stand, hatte man wohl doch ein wenig auch jenen kritischen Finger vermisst, den der Moderator der ARD-Kultursendung „Titel Thesen Temperamente“ sonst so gerne auf so manche Wunden legt. Denn vielleicht einen Deut zu märchenhaft, beschwingt idyllisch war das Bild einer Dorfgemeinschaft im ländlichen Brandenburg da geraten. Wie viel das „Amerika“ Moors mit der jüngeren Entwicklung Hirschfeldes gemein hat, blieb offen.
Zumindest erzählte Moor im Anschluss noch, dass die Hirschfelder, die ihn als TV-Promi zuvor gar nicht kannten, sein Buch sehr positiv aufgenommen hätten und nun sogar stolz auf ihren „Amerikanerstatus“ seien. An seiner langjährigen Arbeit in der Medienwelt, so verriet er außerdem, störe ihn immer das Schnelllebige, weshalb er sein Dasein als Biobauer durchaus als seine eigentliche Berufung betrachte.
Und schließlich habe er dieses Buch eben auch geschrieben als Antwort auf die ewig gleichen Vorurteile, die häufig ausgerechnet von Leuten kommen, die noch nie in Brandenburg waren. Da diese nun nicht anwesend sein konnten, blieben Hunderte, denen Moor im Anschluss an die Lesung geduldig ihr Buchexemplar signierte.
Daniel Flügel
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