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Vier für Drake, Dowland & Co. Joel Frederiksen, Domen Marincic, Timothy Leigh Evans und Axel Wolf (v.l.) sind das Ensemble Phoenix Munich.

©  Thomas Zwillinger

Kultur: Eine Offenbarung

Joel Frederiksen und das Ensemble Phoenix Munich mit „Requiem for a Pink Moon“ im Nikolaisaal

Stand:

Wie oft hat man das Album schon seit seiner Veröffentlichung vor zwei Jahren gehört. Hat genossen mit geschlossenen Augen, ließ sich fallen in die feine Instrumentierung des Ensembles Phoenix Munich und hat sich tragen lassen von Joel Frederiksens und Timothy Leigh Evans’ Gesang. Und wie oft hat man in dieser Zeit immer wieder mit einem leichten Unglauben den Kopf darüber geschüttelt, dass erst Joel Frederiksen und seine Musiker kommen mussten, um aufzuzeigen, was mit ihrem Album „Requiem for a Pink Moon“ (Harmonia Mundi) so offensichtlich wurde: dass die Musik elisabethanischer Komponisten und Lautenisten wie John Dowland, Michael Cavendish und Thomas Campion und die Lieder von Nick Drake, obwohl 400 Jahre zwischen ihnen liegen, ganz selbstverständlich zusammengehören. Offenbart in seiner ganzen Schönheit, Tiefe und Raffiniertheit aber hat sich „Requiem for a Pink Moon. An Elizabethan Tribute to Nik Drake“ erst am Freitag bei dem Auftritt von Joel Frederiksen und seinem Ensemble Phoenix Munich im Foyer des Nikolaisaals.

Im Grunde haben Joel Frederiksen (Laute und Gesang), Timothy Leigh Evans (Gesang und Percussion), Domen Marincic (Gambe) und Axel Wolf (Laute und Theorbe) an diesem Abend die Stücke ihres mit dem Echo 2013 ausgezeichnetes Albums in der Reihenfolge gespielt wie auf der CD. Etwas anderes hätte auch zu Irritationen geführt. Denn wie schon im Titel „Requiem“ angedeutet, folgt die Musik hier einem ganz bestimmten Ablauf, einer feinen Dramaturgie, die bei „Requiem for a Pink Moon“ die Parallelen zwischen Nick Drake und den elisabethanischen Komponisten, hier vor allem die Melancholie, aufzeigt und der Schönheit ihrer Musik huldigt. Ein klassisches Konzeptalbum, das weit in die Musikgeschichte zurückgreift.

Mit „Road“ von Nick Drake eröffneten Joel Frederiksen und seine Musiker den Abend. „You can take the road / that takes you to the stars now“, heißt es darin. Eine Art Menetekel, denn zwei Jahre nachdem Nick Drake „Road“ auf seinem letzten Album „Pink Moon“ veröffentlicht hatte, starb er November 1974 im Alter von 26 Jahren an einer Überdosis Antidepressiva. Joel Frederiksen sang die Zeilen von der Empore im Foyer, nur eine Stimme aus dem Irgendwo. Aber so klar und warm, so kraftvoll und raumfüllend, dass man im ersten Moment dachte, Frederiksen würde mit einem Mikrofon singen. Eine Befürchtung, die sich zum Glück nicht bestätigte. Es folgte eine Bearbeitung des gregorianischen „Requiem aeternam“, die schon auf dem Album zu den schönsten Momenten gehört. Wie hier Gambe und Theorbe höchst dezent und klangschön den Grund bieten, aus dem sich Frederiksens herrlich-natürlicher Bass erhebt, das ist betörend und entrückend zugleich. Und spätestens als Timothy Leigh Evans mit seinem Tenor „Requiem aeternam“ einstimmte, schien sich das Foyer förmlich zu öffnen. Zu öffnen für das langsame, wunderschön musizierte Zusammenführen der Musik von Dowland, Cavendish, Campion und Drake. Die Musiker spielten mit Bedacht, ganz auf das feine und dadurch so tief berührende Klangbild konzentriert, in dem wie zart-zerbrechlich Melancholie und Todessehnsucht, erhebende Schönheit und Lobpreisung des Lebens aufschienen. Die Musiker legten Wert auf die Einfachheit, weil sich gerade hier in den besten Momenten so viel offenbaren kann. Auf Soloeskapaden wurde also verzichtet, bis auf das Praeludium von John Dowland, das sich nicht auf dem Album findet und in der Geschwindigkeit und Wildheit, mit der es Axel Wolf spielte, an Reizen einbüßte. Ein geschickter Zusatz war es aber auf jeden Fall, denn es war eine Einleitung, ein kurzes Atemholen, bevor „Requiem for a Pink Moon“ seinem Höhepunkt zustrebte: der dezenten und respektvollen Verbindung von John Dowlands „Time stands still“ und Nick Drakes „Time has told me“. Und als ob das nicht schon treffend genug arrangiert wäre, hob Frederiksen mit seiner Komposition „Ocean“ das Ganze noch etwas höher. Der Ozean in seiner Beständigkeit, das Auf und Ab seiner Wellen als Symbol für die Zeit, dazu eine Lautenbegleitung, in der Frederiksen die Kunst Dowlands für die Melodie und Drakes Gespür für ausgefallene Akkordbegleitungen trefflich verbindet. Als dann Timothy Leigh Evans „Hanging on a star“ von Drake mit seinem so sanft-natürlichen, affektfreien Tenor sang, wollte man die Zeit anhalten. Aber nur für einen kurzen Moment, denn die Schönheit eines solchen Liedes besteht ja gerade darin, dass es viel zu schnell endet.

So war es auch mit dem Konzert von Joel Frederiksen und dem Ensemble Phoenix Munich. Trotzdem verließ man nach zwei Zugaben beglückt den Nikolaisaal. Denn das Album „Requiem for a Pink Moon“ hört man jetzt auf eine andere, neue und intensivere Weise. Und dann gibt es ja noch vier weitere Alben dieser Musiker, auf denen sie Kompositionen der Renaissance und des Barocks aus England und Italien und „100 years of American music“ aufgenommen haben. Die Entdeckung kann beginnen.

Dirk Becker

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