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Kultur: Eine Orgie wurde es nicht

Tanzwut war zu Gast im Lindenpark

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Tanzwut war zu Gast im Lindenpark Ein höhnisches Lachen drang aus den Boxen im Lindenpark. Erst vereinzelt, dann immer häufiger und lauter. Hinzu kam ein düsterer Klangteppich und die Bühne lag im Nebel. Während das Publikum ruhiger wurde und die Spannung merklich anstieg, flaute das bedrohliche Klangszenario langsam ab. Nun endlich erschienen die ersten Musiker auf der Bühne. Begleitet vom Jubel der Fans positionierten sich nach und nach die Dudelsackspieler und Trommler, bis zum Schluss der Teufel erschien. Jetzt begannen Tanzwut ihr Konzert im gut gefüllten Lindenpark. Zuvor stimmten DevilsKiss aus Berlin mit düsterem Metall auf den Abend ein. Sänger Ron und Gitarrist Sea gründeten im Jahr 2000 die Band DevilsKiss, um zunächst elektronisch Gefühle oder auch einfach nur Fantasie musikalisch umzusetzen. Später kamen dann noch Bassist Dig und Schlagzeuger Fre mit hinzu. In ihren Texten setzen sie sich mit dem Tod, dem Teufel und der Sünde auseinander. Was so bedrohlich begann, entwickelte sich schnell zu einem Fest der Sinne, denn das ist das Konzept von Tanzwut. Tanzen bis zur Ekstase und sich aller „bürgerlichen Fesseln“ zu entledigen, so Frontmann und Sänger „Teufel“, das ist ihre Botschaft. Dabei verfolgen Tanzwut keinerlei satanistische Ambitionen. Eher verstehen sie sich als moderne Spielmänner, wie sie es im Mittelalter gab. Im 14. Jahrhundert, als die Pest über Europa hereinbrach, zogen diese durchs Land und rieten den Menschen, sich durch Tanz und Ekstase gegen den drohenden Tod zu schützen. Hervorgegangen aus der renommierten Spielmannsgruppe Corvus Corax, versuchen Tanzwut viele Stile miteinander zu kombinieren. Dabei sorgen die harten Drums und elektronischen Beats für einen industrial-metalartigen Stil, während die Dudelsäcke und Schalmeien für mittelalterliche Sounds sorgen. Sänger Teufel gibt dem Ganzen dann mit seiner bassig, fast hypnotischen Stimme den letzten Schliff. Und so bezeichnen Tanzwut ihren eigenen Stil als Mittelalter-Industrial-Rock, was es wohl auch am treffendsten charakterisiert. Ein Fest der Sinne wurde es aber erst durch die visuelle Komponente. Neben einer gut durchdachten Lichtshow sorgte vor allem die mittelalterliche Kostümierung und die Choreographie für manche Überraschung. Denn um sich „in der Wüste einfallsloser Stageshows“ abzuheben, so die Band, wurde unter anderem ein Grammophon eingesetzt wie auch abstruse Hüte mit rot glühenden Augen. Mit dieser Symbiose aus treibenden Rhythmen, kreativen Showeinlagen und der schweißtreibenden Bühnenpräsenz der sieben Musiker schafften Tanzwut es, das Publikum in Bewegung zu bringen. Wenn es auch keine Orgie wurde, wozu Sänger Teufel aufforderte, so hatten Tanzwut doch ihrem Namen alle Ehre gemacht.Philipp Rothmann

Philipp Rothmann

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