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Kultur: Eine sanfte Umarmung

Das Filmorchester traf sich beim Crossover mit seinen Friends Regy Clasen und Dirk Michaelis

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Er wirkt wie ein großer Junge. Trotz seiner kurzen, altersweiß schimmernden Haare ist Dirk Michaelis aufgeregt wie vor dem ersten Rendevous. Bei seinem Dauerbrenner „Als ich fortging“, den er sicher selbst im Schlaf singen kann, hakt er plötzlich für einen Moment. Es ist wohl der Respekt vor den versierten Klangmalern des Deutschen Filmorchesters Babelsberg, die den einstigen Frontmann von „Karussell“ etwas aus dem Gleichgewicht bringen. Doch seiner Ausstrahlung tut dies keinen Abbruch: Die modulationsreiche Stimme des sympathischen Textdichters, Komponisten und Sängers erreicht die Zuhörer und seine poesievollen Geschichtenlieder entfachen eine lebendige Wärme. Die Arrangements für das große Orchester betten die angerockte Liebeslyrik in ein weiche, sie nicht verschlingende Hülle.

Zu dem 4. Potsdamer Crossover Konzert „Filmorchester & Friends“ am Freitagabend steht auch die junge Pop-Chanteuse Regy Clasen auf der Bühne des Nikolaisaals. Ihr fehlt noch die Bühnenpräsenz, mit der Dirk Michaelis trotz Lampenfiebers auftrumpfen kann. Ihre Lieder plätschern zumeist in seichteren Gewässern. Obwohl sie mit ihrer klaren Stimme die Texte soulig zu gestalten weiß, wirkt alles etwas zu brav und uninspiriert – vielleicht auch eine Folge ihrer Erkrankung, die sie gerade erst hinter sich gebracht hatte.

Der Saxophonist Friedemann Matzeit spielt seine Chance hingegen bravourös aus. Bernd Wefelmeyer, der an diesem Abend das Orchester einfühlsam leitet, ist an der Sektion Filmmusik der HFF sein Dozent. Er ermöglichte dem jungen Mann diese Konzerterfahrung. Friedemann Matzeit entführt das Publikum zu einem „Night Walk“: eine Musik, die er für den Film „Berlin is in Germany“ spielte und die sich nach einem vorsichtigen Ertasten der Dunkelheit kraftvoll steigert. Musik, die Appetit auf mehr macht. Vielleicht wagt sich der Student ja das nächste Mal mit einer Orchestermusik hervor, so wie es sich Bernd Wefelmeyer wünschte.

Noch zwei junge Männer haben an diesem Abend ihre Sternstunde: Jakob Eschenburg und Marian Lux vom Jugendsinfonieorchester der Städtischen Musikschule Potsdam mischten sich unter die Profis und traktierten die Drums. „An diesem Projekt haben so viel Arrangeure gearbeitet, dass plötzlich zwei Schlagzeuger fehlten.“ Bernd Wefelmeyer wusste sich zu helfen – und wurde von den erfreut einspringenden Eleven nicht enttäuscht. Filmorchester & Friends: Eine herzliche und sanfte Umarmung.

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