Kultur: Eine Stimme, die den Jazz alleine trägt Veronika Harcsa aus Ungarn im Nikolaisaal
Musik entsteht oft auf Umwegen. Der Umweg der ungarischen Jazz-Sängerin Veronika Harcsa ist jedoch wirklich unüblich: Zunächst studierte die 1982 in Budapest geborene Musikerin nämlich Mathematik an der Technischen Universität in Budapest.
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Musik entsteht oft auf Umwegen. Der Umweg der ungarischen Jazz-Sängerin Veronika Harcsa ist jedoch wirklich unüblich: Zunächst studierte die 1982 in Budapest geborene Musikerin nämlich Mathematik an der Technischen Universität in Budapest. Dann brach sie ihr Studium ab und wechselte an die Franz-Liszt-Musikakademie. Nicht die schlechteste Entscheidung, wäre diese Stimme sonst doch den Ohren einer breiten Öffentlichkeit womöglich verborgen geblieben – schade, würde diese Stimme nur Zahlen und Formeln aufsagen.
Am Freitag ist Veronika Harcsa in der Reihe „The Voice in Concert“ im Nikolaisaal zu erleben. Auf der Bühne steht sie schon seit längerer Zeit auf sicheren Füßen: Ihr erstes Jazz-Quartett gründete sie vor zehn Jahren, kurz darauf folgte ihr erstes Album „Speak Low“. Doch beim Thema Jazz blickt sie immer wieder gerne über den Tellerrand: Nicht nur mit dem Pannonia Allstars Ska Orchestra arbeitete sie zusammen, in ihrem Album „Lámpafény“ – zu Deutsch „Lampenlicht“ – interpretierte sie ungarische Lyrik des 20. Jahrhunderts. Außerdem macht sie Musik für Filme und fürs Theater und wirkt selbst in Tanztheaterprojekten mit.
Und dann diese Stimme! Völlig schnörkellos sucht sie sich den Weg direkt in die Seele, unabhängig davon, ob man ihre ungarischen Texte versteht. Ein Mysterium, diese Sprache, die um ein paar Ecken lediglich mit Finnisch verwandt ist. Ein Mysterium auch, wie es Veronika Harcsa gelingt, dieser harten, akzentuierten Prosodie ihrer Muttersprache so viel Melodisches einzuhauchen. Dass die Muttersprache des Jazz jedoch Englisch ist, weiß die Sängerin – und natürlich beherrscht sie auch das. Klarheit dominiert ihre Stimme, keine überflüssigen Vibratos, die die glasklare Ausdrucksweise ruinieren. Man kann sich schnell von dieser scheinbaren Schüchternheit blenden lassen, mit der Veronika Harcsa spielt, doch schnell fällt die Stimme in eine Tiefe, die man ihr gar nicht richtig zuordnen kann.
Große Gesten stehen der Sängerin nicht, keine Big-Band-Attitüde, keine instrumentale Überforderung: Wenn schon Jazz, dann darf ihn die Stimme tragen. Alles andere ist nur ein Konstrukt, um sie dort zu unterstützen, wo sie die Unterstützung auch benötigt. Das wird auch am Freitag nicht anders sein: Veronika Harcsa bringt nur das Nötigste mit – ihren Gitarristen: Bálint Gyémánt ist die Ergänzung der Sängerin, gemeinsam schreiben und feilen sie an den Songs, bis sie perfekt sind. Die gemeinsame Arbeit beschränkt sich nicht nur auf das Duett, zusammen mit Zsolt Kaltenecker und Andrew J wird an dem Bandprojekt Bin-Jip gearbeitet: Elektronische Musik kommt dabei heraus, der Querverweis auf die Popkultur. Klar: Veronika Harcsa betont gern, dass sie sich nicht als klassische Jazz-Sängerin verstanden wissen will. So ist das letzte Album des Duos mit dem Namen „Lifelover“ auch voller Elemente, die eher dem Blues und Rock entlehnt und mit einer gehörigen Portion Soul ausgestattet sind. Passend zu einer Sängerin, die wir fast an die kalte Welt der Zahlen verloren hätten. Oliver Dietrich
Veronika Harcsa zusammen mit Bálint Gyémánt und ihrem Album „Lifelover“ am Freitag, dem 13. März, um 20.30 Uhr im Nikolaisaal, Wilhelm-Staab-Straße 10 – 11. Der Eintritt kostet 15 Euro
Oliver Dietrich
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