Der HOT-Jugendclub zeigt „covering 13“: Eine Umarmung stehlen
Dreizehn muss ein Horroralter sein, so mittendrin zwischen allem, zwischen Kind und Erwachsenem. In dieser Zeit, in der einen die Erwachsenenwelt nicht nur nicht versteht – sondern das auch noch mit unverblümtem Mitleid quittiert wird.
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Dreizehn muss ein Horroralter sein, so mittendrin zwischen allem, zwischen Kind und Erwachsenem. In dieser Zeit, in der einen die Erwachsenenwelt nicht nur nicht versteht – sondern das auch noch mit unverblümtem Mitleid quittiert wird. Am besten wäre man lieber wieder zwölf oder besser schon vierzehn – aber nein, man muss sich mit diesem verfluchten Dreizehnsein herumschlagen, jeden Tag. Aber dann kann das andererseits auch ziemlich cool sein: Das soziale Gefüge der Gleichaltrigen wird auf einmal wichtig – im selben Maß, in dem die Familie beklemmend wird. Wie unwichtig doch die Zukunft ist, wenn sich alles auf die Gegenwart konzentriert.
Bevor sich die Erwachsenen mit jämmerlichen Erklärungsversuchen in die Peinlichkeit katapultieren, sollte man die Dreizehnjährigen lieber selbst erzählen lassen – so das Konzept von Anna Judith Brückner und Lara Jil Dreyer, die das Theaterstück „covering 13“ mit dem Jugendclub des Hans Otto Theaters inszenierten und am Donnerstagabend in der Reithalle zur Premiere brachten. Und siehe da: So hilflos und abgefuckt, wie das ewige Klischee es zu suggerieren versucht, ist diese Welt der Dreizehnjährigen gar nicht. Und stellenweise sogar richtig komisch: Da stehen neun Mädchen auf der Bühne und beschweren sich, dass kein richtiger Junge dabei ist – „Was ist schon ein richtiger Junge?“ Ja, was? Wenn man einmal alle Styling-Klischees durchgewinkt hat, bleibt da nicht mehr als ein bemitleidenswertes Wesen. Ätsch!
It’s the society, stupid: Wenn die Gesellschaft an allem schuld ist, dann gehört sie auch dafür angeprangert. „Hey, ich bin dreizehn!“ Wenn man als Mädchen in diesem Alter zu sich selbst finden will, muss man sich erst mal von der Diktatur der Prinzessinnen befreien. Das geht nicht immer schmerzfrei ab, der soziale Kitt hält nicht für alle: „Es gibt diese Klischee-Cliquen, in denen immer jemand ist, der nie so richtig dazugehört.“ Dargestellt wird das bei Dreyer und Brückner etwa in dieser wunderbaren Freeze-Szene, in der sich die Ausgestoßene eine Umarmung stiehlt, während alle die Augen geschlossen haben.
Das Collagenstück funktioniert deshalb so gut, weil es weitgehend auf die Redundanz bedeutungsschwangerer Texte sowie überflüssiger Requisiten verzichtet und stattdessen Stimmungen erzeugt – durch Licht, durch Musik, aber auch durch Tanz und Gesang. Das fängt diese hibbelige Mentalität auf eine ganz und gar liebenswerte Weise ein, weit entfernt davon, sie mit der Moralkeule zu erschlagen. Und wenn irgendwann der Graben zwischen Bühne und Publikum eingerissen wird und die Schauspielerinnen auf einmal zwischen den Sitzreihen stehen, dann wird es eng mit den Erklärungen: „Los, Sie da, machen Sie mal! Seien Sie doch mal etwas verrückter!“ Das ist nämlich gar nicht so einfach. Und auf einmal ist man wieder jung. Oder alt. Oder beides. Oliver Dietrich
Das Stück „covering 13“ ist wieder zu sehen am Dienstag, 26. April, und Mittwoch, 27. April, jeweils 19.30 Uhr in der Reithalle, Schiffbauergasse.
Oliver Dietrich
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