
© HL Böhme
„Ein Sommernachtstraum“ am Hans Otto Theater: Eine Vorstellung von Liebe
Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ feiert heute im Hans Otto Theater Open-Air-Premiere
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Die Kulissenwand fällt, eine Zwischendecke wird zum Feenwald und echte Handwerker mischen sich unter die Darsteller. Die Inszenierung von William Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“, die heute Abend im Gasometer des Hans Otto Theaters (HOT) Premiere feiert, steht ganz im Zeichen ihres Autors. So wie Shakespeare es einst vorgab, so soll auch hier der Zuschauer nicht vergessen, wo er sich gerade befindet. Nämlich in einem Theater. Vielmehr noch: in einem Open-Air-Theater. Hier muss ein Mikro her, um Nebengeräusche zu übertönen und auch das Licht kann erst zum Einsatz kommen, wenn es dunkelt. Regisseurin Kerstin Kusch will sich diese Elemente zunutze machen und in ihrer Umsetzung eines der meistaufgeführten Stücke überhaupt mit der Vorstellung von Theater und von Liebe spielen.
Die Bühne wird dabei zweigeteilt. Vorne, vor der romantischen Malerei des Potsdamer Ruinenbergs, spielt das, was in Shakespeares Komödie noch als Realität bezeichnet werden kann. Herzog Theseus will seine Amazonenkönigin Hippolyta heiraten. Bis zum eigentlichen Termin in vier Tagen muss Wohlstandstochter Hermia sich entscheiden, ob sie den von ihr verschmähten Demetrius heiratet oder in die Verbannung geht. Daraufhin plant sie mit ihrem geliebten Lysander zu fliehen und nimmt eher unbeabsichtigt Freundin Helena und deren Angebeteten Demetrius mit. Jetzt geht es in den Backstage-Bereich der Bühne, einen klassischen Schnürboden mit vielen Seilen und dunklen Ecken. Hier, als wäre die Geschichte nicht bereits kompliziert genug, treffen sie nicht nur einander, sondern auch eine ganz besondere Art von Theatergeistern. Der Seildschungel wird zum Feenwald, in dem Feenkönig Oberon und seine Frau Titania mächtigen Streit miteinander haben. Dort darf Feenhofnarr Puck nicht fehlen, der mitmischt und endgültig alles durcheinander bringt.
Wie im Stück sollen sich auch auf der Bühne die verschiedenen Welten sukzessive überlappen, der Zuschauer irgendwann vergessen, dass er im Theater sitzt – aber eben auch nur ein bisschen. „Wir stellen quasi eine Behauptung von Theater auf“, sagt Kusch. „Der Zuschauer kann diese mit seiner Vorstellungskraft durchbrechen, über den Tellerrand hinausschauen, vielleicht sogar seine eigenen Bilder aktivieren.“
Vor allem Bilder über Liebe, denn um die geht es in „Ein Sommernachtstraum“ gleich auf mehreren Ebenen. „Jeder Mensch hat seine eigene Vorstellung davon, stellt Erwartungen an sie – so auch die Figuren im Stück“, sagt Kusch. Ihr war es wichtig, die verschiedenen Liebesbeziehungen ernst zu nehmen und zu schauen, was eigentlich dahinter steckt. „Oberon und Titania zum Beispiel sind einfach schon unglaublich lange zusammen, da gehen die Vorstellungen vom Miteinander schon mal auseinander.“ Das sei zwar im Stück durchaus lustig, berge aber auch eine gewisse Tragik, genauso wie das väterliche Gebot, Hermia solle ein Mann ehelichen, den sie nicht liebt. Ihre Inszenierung vergleicht Kusch deswegen mit einer Zirkuswelt, in der alles ein bisschen anders, mysteriöser ist und die Realitäten verschwimmen. Musik darf in einem Zirkus nicht fehlen, darum hat Musikleiter Marcel Schmidt Texte aus dem Stück selbst und von Singer-Songwriter Adem Ilhan vertont und sie dem Elfenvolk in den Mund gelegt. Bühnenleiter Matthias Müller hat ein Lichtkonzept erarbeitet, das die beiden Welten des Stücks zunächst voneinander trennt, um dann farblich immer weiter ineinander überzugehen. „Es geht durchaus darum, einen Zauber heraufzubeschwören, der das Open-Air zu etwas Besonderem macht“, erklärt er.
Der Zauber scheint schon vorab auf die Zuschauer zu wirken. Längst sind alle geplanten Vorstellungen ausverkauft. Lediglich am 4. Juli – ein Zusatztermin – sind noch Karten erhältlich. Theatersprecherin Stefanie Eue erklärt den Verkaufserfolg mit der Popularität des Stückes, aber die Open-Air-Zuschauer seien auch ein besonderes Publikum, das die Sommervorstellung gerne als Highlight vor der Sommerpause bucht. Touristen seien nicht unbedingt darunter, eher Theatergänger, die auch mal auf den Komfort eines Daches verzichten können, im Regenfall eben mit Cape dasitzen und dabei trotzdem die Theaterillusion genießen.
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