Kultur: Eine Wand aus verschränkten Armen Punk- und Solikonzert im Freiland
Nicht nur mal eben ein Punk-Konzert gab es am Wochenende im Spartacus. Geht ja auch gar nicht: Wenn im Freiland etwas stattfindet, dann nur mit einem politischen Anstrich, das dürfte ja hinreichend bekannt sein.
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Nicht nur mal eben ein Punk-Konzert gab es am Wochenende im Spartacus. Geht ja auch gar nicht: Wenn im Freiland etwas stattfindet, dann nur mit einem politischen Anstrich, das dürfte ja hinreichend bekannt sein. Und auch diesmal sollte mit dem Besuch Hilfe generiert werden und zwar finanzieller Art: ein Soli-Konzert eben. In der vorhergehenden Woche fand die Gerichtsverhandlung zur spontanen Hausbesetzung in der Stiftstraße statt, ein symbolischer Akt im Dezember 2011, um auf die Wohnraumspekulation aufmerksam zu machen – Wohnraummangel und gleichzeitiger Leerstand, ein deutlich ironischer Zustand im preußischen Edelhort Potsdam. Das Verfahren wegen Hausfriedensbruch wurde mit einem Freispruch eingestellt, dennoch müssen die Besetzer die Gerichtskosten tragen. Der Solidarität der linksalternativen Szene können sie sich jedoch sicher sein, und die trifft sich – na klar – nun mal auch im Freiland. Dort wurde mit spitzer Zunge auch gleich das Motto an die Wand gehängt: „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht die Miete erhöhen“.
Aber dennoch muss man an der Sommermüdigkeit der Besucher herumnörgeln. Die kamen zwar, gaben auch freimütig ihren Solibeitrag ab, bekamen ein saftiges Konzert geboten – standen aber ziemlich gequält in der Gegend herum. War ihnen etwa zu warm? War die Woche zu anstrengend? Oder funktionieren Punkkonzerte im hauptsächlich elektronischer Musik verschriebenen Spartacus einfach nicht? Nun gut, das Spartacus kann mit diesen Konzerten auch nur versuchen, die durch die vorübergehende Schließung des „Archiv“ entstandene Leerstelle zu füllen, aber gegen eine Wand aus verschränkten Armen anzuspielen – das haben die beiden Bands auch nicht verdient. So bleibt es müßig, zu erörtern, ob das Konzert an anderer Stelle besser funktioniert hätte.
Gerade die erste Band Lashdown, die kurzfristig als Ersatz für die krankheitsbedingt ausgefallenen Whack&Wasted eingesprungen war, schien doch eine exzellente Wahl zu sein: „Damit wir etwas bewegen können, müssen wir wütend sein“, belehrte die Sängerin die Anwesenden. Und wütend waren Lashdown auf alle Fälle: eine aufreibende Prise Spucke im Hardcore, die Sängerin ein giftsprühendes Energiebündel in der leider immer noch als Männerdomäne wahrgenommenen Musik härterer Gangart. „Wir beißen nicht, wir kratzen nur“, war das treffendste Statement des Abends. Leider waren Lashdown aber auch die Einzigen, die ins Schwitzen kamen – dabei hätte so viel Emotionalität wenigstens zum Schluss leidenschaftlichere Zugabe-Rufe verdient.
Von der Sommerlethargie der Anwesenden waren allerdings auch die antideutschen Punkrocker Kaput Krauts betroffen, da konnten sie noch so sehr geradeaus spielen. Zwar wirkte ihr Einstand zunächst relativ kopf- und konzeptlos, was natürlich dadurch nicht besser wurde, dass auf der Bühne eine Bierflasche in eine Steckdosenleiste entleert wurde. Natürlich war das keine Absicht, aber Zwangspause und ein fluchender Bühnentechniker verhinderten erst mal jeden Versuch antipatriotischen Punkrocks. Der zweite Start gelang jedoch, und ausgerechnet der ergraute Achtzigerjahre-Slime-Klassiker „Polizei, SA, SS“ fuhr den dicksten Applaus ein. Aber auch sonst lieferte die Band ausgezeichneten Turbo-Qualitätspunk, auch wenn die Stimme des Sängers live deutlich schiefer klang als auf den Aufnahmen. Oliver Dietrich
Oliver Dietrich
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