zum Hauptinhalt
Von Abschied soll hier noch keine Rede sein. Die nimmermüden Musiker von Mutabor um Sänger Axel Steinhagen (v.).

©  promo

Kultur: Einfach nicht totzukriegen

Mutabors Powershow zum 22-jährigen Bühnenjubiläum im Lindenpark

Stand:

Eigentlich wusste niemand so recht, was es mit den nimmermüden Mutabor auf sich hat: Gibt es sie noch, gibt es sie wieder? Vor ein paar Jahren noch mit großem Brimborium von den Bühnen dieser Welt offiziell verabschiedet, stehen sie nun schon wieder genauso routiniert da und feiern ihr 22-jähriges Bühnenjubiläum, als wären sie niemals weg gewesen. Seit 1991 wandern Mutabor nun schon mit ihrem Blockflöten-BB-Radio-Punkrock durch den Osten Deutschlands, losgelöst, unterhaltend, aber irgendwie völlig schmerzfrei.

Die tanzwütige Masse nahm die sechs Musiker von Mutabor am Samstag im Lindenpark gern auf, zumal die Band eine handwerkliche Solidität vorweist, die ihresgleichen sucht: Sänger Axel Steinhagen ist das unbestrittene Zentrum der Band, in zeitloser Abriss-Punkoptik mit Irokesenschnitt und einem T-Shirt, das er seit 1991 nicht mehr gewechselt zu haben schien, sprang er känguruhaft und schwitzend über die Bühne, während er das Mikrofon wie ein Sektglas hielt und einen Gute-Laune-Positivismus verbreitete, der einzigartig war: „Dass die Welt schlecht ist, wissen wir ja schon lange“, skandierte er der johlenden Masse zu, „aber heute Abend tanzen wir das alles weg!“ Gesagt, getan.

In rotes Licht getaucht kam so eine tanzbare Friedensmaxime nach der anderen, das Schlechte in der Welt wollte ja auch mit ganz viel Liebe hinweggetanzt werden. Steinhagen tanzte und sprang vorneweg und ließ auch den obligatorischen Disko-Hüftschwung nicht aus. Die Gitarre drückte ordentlich, sodass Violine und Blockflöte kaum noch eine Chance gelassen wurde, was aber nicht im Geringsten störte. Sogar einige ganz besonders mutige Stagediver ließen sich über die Menschenmassen tragen, der Spaß war elementar, gelebte Völkerfreundschaft irgendwie: Für eine ernsthafte Rebellion waren Mutabor zwar zu zahnlos, für einen ausgelassenen Abend im Lindenpark dafür allerdings perfekt. Mutabor sind in ihrer mitreißenden Ehrlichkeit sympathisch unangreifbar, wenngleich Lieder über Pusteblumen schnell mal ins Schlagerhaft-Groteske driften konnten, erst recht wenn Steinhagen mit einer Pusteblumenperücke über die Bühne derwischte. Da waren keinerlei Ecken und Kanten, und der Aufruf zum Schunkeln in ihrer Hommage an die Ostsee namens „So weit ist das Meer“, immerhin Sehnsuchtsort der gebürtigen Mecklenburger, hatte beinahe etwas Heimathaft-Verklärtes, eine maritime Romantik im Dreivierteltakt. Ja, das war schon irgendwie schön, so richtig zum Feuerzeugrausholen.

Und sie waren einfach nicht totzukriegen, weder an diesem Abend noch sonst irgendwie, allen voran Sänger Steinhagen, der wie ein Duracell-Hase über die Bühne zappelte und keinerlei Anzeichen von Altersmüdigkeit aufwies. Immer wenn man den Kollaps erwartete, kam noch ein Song und noch ein Song – und so war es bereits Mitternacht, als Mutabor sich von der Bühne und von einem selig lächelnden Publikum verabschiedeten. Ein Abschied für immer wird das auf keinen Fall gewesen sein; spätestens beim Rock in Caputh sind Mutabor ja wieder in Friedensmission in unserer Region zu erleben. Oliver Dietrich

Oliver Dietrich

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })