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Kultur: Einfallsreiche Koppelgeschäfte

40 Jahre Schuke-Orgel in der Erlöserkirche: Konzert mit Friedrich Meinel

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40 Jahre Schuke-Orgel in der Erlöserkirche: Konzert mit Friedrich Meinel „Dass Sie mir nicht so viel koppeln“, rät Orgelbauer Hans-Joachim Schuke anno 1964 dem künftigen „Erzieher“ seines jüngsten Sprösslings. Friedrich Meinel, Organist an der Erlöserkirche und stolz auf die neuen Vaterfreuden, tut''s trotzdem. Er zieht die Spielhilfen, wo es nur geht, damit das erwählte Register eines Manuals auch auf einem anderen (oder auch auf dem Pedal) mitspielen kann. Geschadet hat es keinem und Schuke sich alsbald mit dieser „Unbotmäßigkeit“ abgefunden. Beim zweiten Jubiläumskonzert zum 40-jährigen Bestehen der Schuke-Orgel in der Erlöserkirche ist es Friedrich Meinel, der auf der Orgelbank Platz nimmt, um die klanglichen Vorzüge der neobarocken Jubilarin mit ihrem Schwellwerk ins rechte Licht zu rücken. Zuvor wagt er einen Blick in die Zukunft, in der eine Generalreinigung ansteht. Über dreitausend Pfeifen müssen dazu abgebaut und danach neu intoniert werden. Allerdings erst, wenn die staubreichen Renovierungsarbeiten im gesamten Gotteshaus abgeschlossen sind. Das aber kann aus finanziellen Gründen dauern. Die Kollekte erbittet diesbezügliche Gaben. Natürlich sind es Werke von Johann Sebastian Bach, die das abwechslungsreiche Programm bestimmen. Dabei befindet sich Friedrich Meinel gleichsam im „Verkündigungsdienst“, wie es Pfarrer-Worte zuvor umschrieben hatten. Glitzerndes Figurenwerk im Diskant, das an Klangkaskaden auf einem Cembalo erinnert, eröffnet die fröhlich gestimmte G-Dur-Fantasie BWV 572. Nachdem sich das Pedal pathetisch zu Wort gemeldet hat, braust die Fantasie im vollen Orgelwerk glanzvoll einher. Einer Hirtenmusik weihnachtlichen Charakters gleicht dagegen die Pastorale F-Dur BVW 590, die ihrem Namen durch Meinels filigraner Auslegung alle Ehre macht. Ein liebliches, kleinfüßiges Register nebst Verwendung des Tremulanten dient ihm zur Erzeugung entsprechender Stimmungen. Nicht weniger fantasie- und farbenreich registriert er die Orgelchoräle „Nun komm, der Heiden Heiland“, „In dulci jubilo“ und „Gelobet seist du, Jesu Christ“, ohne dabei in kleinkleine Registriermanieren zu verfallen. Zwischen flötenhellen, nasalen und mixturenreichen Stimmen kennt seine Kunst viele Facetten. Sie prägt den Stücken die ihnen gemäßen Stimmungsgehalte hervorragend aus. So hält es der Organist auch mit meditativen Ausschnitten aus „La nativité du Seigneur“ (Die Geburt des Herrn) von Olivier Messiaen (1908-1992). Eine akustisch aufregende Vision der himmlischen Heerscharen verbreiten „Die Engel“, deren Lobpreisungen in abfallenden und emporsteigenden Linien klar und principalscharf ertönen. Schwebungsreich und in gedeckten Farben erzählen „Die Hirten“ nach dem Krippenbesuch von dem, was sie gesehen hatten. Hierbei erwählt sich der Organist eine eher besinnliche und besänftigende Rhetorik. Die Möglichkeiten der Orgel schöpft Friedrich Meinel dann in der 2. Sonate d-Moll op. 60 von Max Reger (1873-1916) ausgiebig aus. In romantischer Emphase rauscht das organo pleno auf, brechen chromatische Aufwallungen hervor, schwellen die Leidenschaften an und ab. Kantabel, in mystisches Klangdunkel gehüllt, erzählt der „Invocation“-Satz von der Schöpfung, in die - „Grave con duolo“ - der Einbruch von Gewalt als biblischer Sündenfall erfolgt. Eine erhabene Fuge mit irrlichtergleichem Einschub beschließt das Werk, dem Meinel durch sein stets transparentes Spiel eine fesselnde, weil gedankenklare Auslegung angedeihen lässt. Zum Wohle des Komponisten und Orgelerbauers betreibt er dabei mancherlei einfallsreiche Koppelgeschäfte.Peter Buske

Peter Buske

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