Kultur: Eingesperrt
Männerabend: Herbstsalon im Nauener Tor
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„Bist du hingefallen, bleibe liegen“, sang der Liedermacher Alex Heinrich im Herbstsalon des Potsdamer Männervereins Manne e.V., „und denke über dich nach.“ Auch diese Entgegensetzung zum maskulinen Spruch „Hinfallen ist keine Schande – aber liegen bleiben“ zeigte, dass „Manne“ keineswegs eine Ansammlung von Machos ist, sondern den spezifischen Problemen, Nöten und Befindlichkeiten des angeblich starken Geschlechts sensibel nachspürt. Alex Heinrich und Freunde sowie die „werkstatt schreibschön“ (dazu gehören Heiko Döring von Manne e.V., Andreas Böhme und Silvio Andree) hatten ins Nauener Tor geladen. Das Thema des Abends entsprach genau dem Ansatz des Vereins.
Das seit 2001 bestehende literarische Trio, das in der DDR-Zeit in attraktiven, seit der Wende aber weniger gefragten Berufen arbeitete, im EDV-Bereich zum Beispiel, las unter dem Motto „Männer Alltag Geschichten“ Gedichte und Prosa über den auswegslos eingesperrten Mann, über die Todessehnsucht des verlassenen Liebhabers und die weit zurückliegende dörfliche Kinderzeit. Nicht wehleidig etwa, sondern humvorvoll und auch voller Selbstironie.
Stürmischen Beifall erntete eine Satire über die Vorladung eines Hartz-IV-Empfängers zum Jugendamt wegen nicht gezahlter Unterhaltsbeiträge. Der Mittellose zieht mitleidheischend alle Register seiner Notlage, flippt aus, wird von Sicherheitsleuten festgehalten und stundenlang von einem Psychologen beschwichtigt. Aber am Ende steht dennoch der Beschluss: Sie werden gepfändet! „Das Klima in den Amtsstuben ist eindeutig toxisch“, muss er feststellen.
Fast kafkaeske Züge trägt die hintersinnige Erzählung über einen Arbeitslosen, der sich mit dem Beifall der Behörden als Scherenschleifer selbständig macht, aber weder bei den Normalbürgern im Miethaus noch bei den Villenbesitzern am See genügend Kundschaft findet. Ihn retten schließlich Männer in Springerstiefeln, die ihre Messer von ihm wetzen lassen. Für einen Geschlechtsgenossen, der „wie eine Puppe aus Holz“ überkorrekt gekleidet und ellbogenstoßend nach oben strebt und dabei immer mehr vereinsamt, findet „schreibschön“ den mitleidigen Refrain: „Du bist ein trauriger Mensch, vielleicht auch ein armes Schwein.“
Als Manne e.V., der in Potsdam demnächst eine von der Stiftung „Aktion Mensch“ auf vier Jahre geförderte Fachstelle Jungenarbeit eröffnet, im September zu seinem ersten Herbstsalon geladen hatte, kamen trotz des vermeintlichen Männerthemas „Faszination Fußball“ nur wenige Interessenten. Jetzt bei dem literarisch-musikalischen Abend wurden hingegen die Stühle knapp. Und obwohl Manne e.V. die Männerthemen eigentlich unter Männern behandeln möchte, bestand das Publikum zu mehr als einem Drittel aus Frauen und Mädchen. Doch dogmatisch ist der Verein nicht, vielmehr freute sich Sprecher Peter Moser, dass die weiblichen Besucher so viel Interesse für die Probleme, Ängste und Freuden ihrer Partner aufbringen. Einen Wermutsbecher musste er an dem erfolgreichen Abend allerdings auch ausgießen: Die Fördermittel der Landeszentrale für Politische Bildung sind aufgebraucht, deshalb kann der für Dezember vorgesehene Herbstsalon zum Thema Männerbünde nicht stattfinden. „Im nächsten Jahr setzen wir die Reihe aber auf jeden Fall fort“, kündigte Moser an. Erhart Hohenstein
Erhart Hohenstein
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