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Kultur: Einheit von Natur und Noten
Sinfonisches Saisonfinale in der Erlöserkirche
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Die Natur hatte es mal wieder ziemlich eilig. Anstatt sich am Donnerstagabend bei ihrem Ausbruch von Sturm, Donnergrollen, Regenschauern und Blitzen in der Umgebung der Erlöserkirche zeitlich mit der Wiedergabe des entsprechenden Satzes aus Ludwig van Beethovens „Pastoral“-Sinfonie ins Benehmen zu setzen, platzte sie mit derlei meteorologischen Zutaten bereits in die naturidyllisch geprägten Notenerfindungen eines Carl Maria von Weber unüberhörbar hinein. Diese bestimmten den ersten Teil des 4. Sinfoniekonzerts der mittlerweile 12. (!) Saison des Neuen Kammerorchesters Potsdam. Das so benannte und unter dirigentischer Obhut von Ud Joffe stehende „NaturBeet“ nahm es gelassen, ordnete sich doch alles der Einheit von Noten und Natur unter.
Düster und lastend, ja fast bedrohlich hebt Webers „Freischütz“-Ouvertüre an. Dann sorgen Klänge anmutiger Waldhornseligkeit und seelenerbaulicher Innigkeit für den Sieg des Guten über finstere Mächte – was kann es Schöneres für die romantisch-deutsche Gemütsart geben?! Und immer wieder entwickelt sich ein hochgepeitschtes Musizieren, von Joffe mit Sinn für dramatische Zuspitzungen und Fortissimo-Aktionismus ausgereizt. Das schwere Blech schmettert aus vollen Rohren, und da bleiben Zwischentöne und Farbschattierungen leider rar.
Von Stimmungskontrasten lebt auch Webers Klarinettenkonzert Nr. 1 f-Moll, dessen düstere, unruhevolle Orchestereinleitung die Dramatik der später entstandenen „Freischütz“-Ouvertüre vorwegnimmt. Nach Beruhigung des Seelenaufruhrs setzt das Soloinstrument mit Kantilenengesang ein, der rasch die Klangbühne der Beschaulichkeit verlässt. Die israelische Klarinettistin Shirley Brill geht total in der Musik auf, stürzt sich voller gestalterischer und atemtechnischer Brillanz in die ihr zugedachte Rolle einer Rhapsodin. Das Orchester geht ihr forsch zur Hand. Klar und direkt ist Shirley Brills Ton, kraftvoll und von makellosem Ansatz. Lyrische und kapriziöse Abschnitte und andere notennotierte Erregungszustände trägt sie sehr differenziert vor. Leider forciert sie die Höhe, dann verliert ihr transparenter, quasi analytischer Ton im Lauten seine Klangschönheit und wird grell. Etwas mehr Weichheit und Wärme für ein romantisches Gefühl wäre vielleicht nicht verkehrt gewesen. Leises und Heimeliges gelingen ihr umso besser. Das kecke Finalrondo gibt ihr reichlich Gelegenheit, mit virtuoser Attacke zu glänzen. Dem anhaltenden Jubel dankt sie mit einer innigen, klezmernahen Zugabe.
Transparent, zügig, fast atemlos deuten die Musiker unter Traineranleitung den ersten Satz der „Pastorale“. Erwachen so die heiteren Empfindungen bei der Ankunft auf dem Lande? Das klingt eher nach Frühsport für die Ankömmlinge. Solcherart athletisch gestählt, gibt es noch eine Jogging-Einheit am Bachlauf entlang. Durchweg intonationssauber (Hörnergruppe!!) und hell getönt verläuft die weitere Hörbesichtigung des Landlebens. Dabei setzt man mehr auf Tonmalerei als den Ausdruck von Empfinden – Beethoven wollte genau das Gegenteil. Aufgedreht geht’s beim Zusammensein der Landleute zu, bevor Gewitter und Sturm das Volk vertreiben. Wir dagegen sitzen zwar kühl, aber sicher und trocken in der Erlöserkirche, können uns finaler froher und dankbarer Gefühle erfreuen. Nach diesem direkten Draht zur Natur spenden wir reichen Beifall. Peter Buske
Peter Buske
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