Kultur: Einlassen auf die Musik
Tangoabend mit „Qué Tangazo!“ im Nikolaisaal
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Alles auf der Tanzfläche scheint einer einstudierten Choreografie zu folgen. Gut angezogene Männer führen Frauen in schönen Kleidern und sündhaft hohen Schuhen in enger Umarmung und zu unglaublich anrührender Musik über das Parkett. Was für den Betrachter ganz leicht aussieht, fordert den Paaren in Wahrheit einiges ab.
Es ist Freitagabend und der Nikolaisaal hat zum jährlichen Tangotanzabend eingeladen. Für viele Tänzer eine besondere Herausforderung, denn wie jedes Jahr wird auch an diesem Abend wieder eine Liveband Kreativität und Spontanität der Paare fordern. Denn das ist es, was den Tango ausmacht, das sich Einlassen auf die Musik. Dabei hat der führende Partner die Aufgabe, die Musik zu interpretieren, in Bewegung umzusetzen und dem Folgenden einen Rahmen zu geben, in dem dieser sich wohl fühlt und der ihm genügend Raum gibt, sich ebenfalls der Musik hinzugeben.
Ein schwieriges Unterfangen, besonders, wenn die Musik nichts Altbekanntes aus der Konserve ist, sondern eine Liveformation, die dem klassischen Tango eine ganz eigene Note gibt oder gar Eigenkompositionen spielt. Der Gast des diesjährigen Abends, das Tango-Orchester „Qué Tangazo!“, hat sich genau das zur Aufgabe gemacht.
Die Musiker, die sich in ihrer Besetzung am traditionellen „Orquesta tipica“ mit Bandeon, Geige, Klavier, Bratsche und Kontrabass orientieren, sehen die Tanzenden vor allem als Inspiration. Und so ertappt man sie an diesem Abend immer mal wieder dabei, wie sie, größtenteils mit Hilfe der Musik von Astor Piazolla, sanft das Tempo der Paare bestimmen, sie entschleunigen und wieder anfeuern und immer auch mal zu kleinen tänzerischen Spielereien animieren. Das Ergebnis auf der Tanzfläche ist ein Ineinanderfließen von Basse, Kreuz und Ocho, den bekanntesten Schritten des Tango. Die ganz Mutigen lassen sich sogar zu raffinierteren Bewegungen hinreißen und wagen einen Boleo oder einen Gancho, Figuren, die dem Tango eine noch sinnlichere, intensivere Note verleihen.
In den Orchesterpausen halten die DJ’s Mona und Kurt, Potsdams bekannteste Tangolehrer, die Tanzenden mit einem Mix aus traditionellem, eher sanftem und modernem, etwas fordernderem Tango bei Laune. Die Mischung passt. Auffällig an diesem Abend ist die fehlende Schüchternheit der Paare. Die Tanzfläche ist stets gut gefüllt, die Paare unterschiedlichen Alters tanzen auf unterschiedlichem Niveau und alle haben Freude dabei. Andrea Schneider
Andrea Schneider
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