Kultur: Einsamkeit ist doof
Das Tourneetheater „Feuer und Flamme“ zeigte im T-Werk seine Wolfs-Parabel für Kinder
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Mit gleich drei Inszenierungen feiert derzeit die Braunschweiger Theatergruppe „Feuer und Flamme“ ihr 25-jähriges Bühnenjubiläum. Warum in Potsdam, und nicht eben dort, ist bei einem Tourneetheater nicht unbedingt zu diskutieren - zumal dann nicht, wenn eine der Macherinnen ohnehin hier lebt. Und so stand am Wochenende „Frau Machova wartet auf den Postmann“ auf dem Spielplan des T-Werk, eine lustige Geschichte wider den Ernst der Einsamen. Am heutigen Dienstag folgt „Das doppelte Lottchen“ nach Erich Kästner. Am Sonntagnachmittag hatte „Großer Wolf und kleiner Wolf“ Potsdam-Premiere, ein didaktisch angehauchter Versuch, Kindern ab vier Jahren den Wert der Freundschaft nahezubringen. Als Vorlage diente den beiden „Feuer und Flamme“-Macherinnen Tania Feodora Klinger und Ute von Koerber ein Bilderbuch von Nadine Brun-Cosme und Olivier Tallec.
Die Geschichte ist einfach, aber nicht billig: Beim großen alten Wolf taucht eines Tages unverhofft der kleine Wolf auf. Wie bei diesen Tieren üblich, gibt es sofort Streit um die Rangfolge – auch ohne Weibchen. Der Ältere will andauernd größer und besser sein. Eines Tages ist der Jüngere dann fort, einfach so. Nun merkt Old Großwolf endlich, was er angerichtet hat und was ihm fehlt. Er wartet und wartet. Als der jüngere im nächsten Frühjahr zurückkehrt, ist die Freude natürlich wölfisch gigantisch. Einsamkeit ist eben doof.
25 Bühnenjahre sind ja 25 Jahre Spielerfahrung, auch mit kranken Kindern: Die beiden Aktricen treten in Potsdam und dem Hannoverschen Raum auch als Klinik-Clowns auf. Sie wissen, wie man Aufmerksamkeit ganze 60 Minuten fesseln kann. Auch optisch: weißer Bühnenboden, eine weiße Stoffbahn als Hintergrund, ein Riesenhocker, der den Wohnhügel des Altwolfs (Ute von Koerber) darstellt, mehr braucht es nicht zum Glücklichwerden. Nachdem man sich beim Publikum eingeführt und vor aller Augen ins angedeutete Wolfskostüm geschält hatte, trabten die beiden einträglich nebeneinander her, witterten, jagten, balgten sich.
Dann erst begann die Geschichte, als Erzähltheater zwar, aber mit clownesken Mitteln und großem Vergnügen dargestellt. Der Alte ist zuerst ein einsamer Wolf. Als der Junge mit seinem Akkordeon singend herbeikommt, ist er sauer. Ein hübsch choreographierter Kampf macht schnell klar, wer der Chef ist. Man sieht es, der Kleine äfft dem Oldie jetzt alles nach, was die vielen Kinder in der proppenvollen Vorstellung mit viel Gelächter quittierten. Die Wölfe interagieren meist leicht clownesk und gestisch, nur verbal hatten sich die beiden rein gar nichts zu sagen, selbst beim Wiedersehn nicht. Alles lief über Arrangements, über die Körpersprache, die mit Fantasie und lustigen Einfällen inszeniert wurden (Regie: Ulrike Schauer, Stefan Ebeling). Hier waren Erfahrung und Liebe am Werk.
Ute von Koerber hatte als Leitwolf den protagonistischen Part. Ständige Aufmerksamkeit, pausenlose Tätigkeit, unermüdliches Putzen, da kam ganz schön was zusammen. Übrigens gab es bei ihm zum Frühstück einen Apfel, die Reste wurden, als szenischer Vorgang, eilig zusammengefegt. Hübsch. Als er erkannte, dass er den Kleinen nicht gut behandelt hatte, verkroch er sich unter einer Decke. Vollblutschauspielerei eben. Tania Klinger spielte zu wenig von innen heraus, dafür sorgte ihr musikalisches Talent, Akkordeon inbegriffen, für die richtige Temperatur im Saal. Das Verhältnis Groß-Klein ist ausbaufähig, die Kinder hätten mehr involviert werden können. Berührend war das Finale im Glücksrausch. Trampeln, sehr viel Applaus für dieses aparte Spiel. Gerold Paul
Gerold Paul
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