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Kultur: Einsatz für Extremklänge

Internationaler Orgelsommer Potsdam 2008 mit Winfried Kleindopf in der Erlöserkirche

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Ein Programm der Extreme, dessen gemeinsames Thema die Heilige Dreifaltigkeit ist. Und zutiefst gegensätzlich ausgedeutet: „Der eine Komponist, Olivier Messiaen, ganz katholisch, der andere, Johann Sebastian Bach, ganz protestantisch geprägt“, sucht Winfried Kleindopf, Kantor und Organist der Nikolaikirche zu Döbeln, seine Programmzusammenstellung vorm Auftritt beim Orgelsommer an der Schuke-Orgel in der Erlöserkirche zu erläutern. Obwohl beider Stil geradezu konträr erscheine, eine die Komponisten ihre Gemeinsamkeit, Musik zur Ehre Gottes zu komponieren, so der Organist.

Überdies verbindet beide ein tiefer theologischer Hintergrund. In seinem „Orgelmesse“ genannten „3. Teil der „Klavierübung“ wählte Bach die Dreiteilung von Lutherschen Katechismus-Chorälen mit der Umrahmung durch Präludium und Fuge in Es-Dur BWV 552, um die Trinität zu symbolisieren. Messiaen potenziert diese Dreiteilung und gelangt so zu einem neunteiligen Werk, den „Méditations sur le Mystère de la Sainte Trinité“. Daraus hat Winfried Kleindopf drei Stücke ausgewählt, die im Wechsel mit den Bachschen Werken erklingen, und die in ihren Untertiteln Attribute Gottes tragen. Gegen Ende der Stücke hätte der komponierende Vogelkundler den Ruf der Goldammer eingefügt, als Ausdruck göttlicher Vollkommenheit. Diese hochwillkommenen Erläuterungen des Organisten sind wesentliche Hilfe beim Verstehen der ungewöhnlichen Messiaenschen Tonsprache.

Nach der signalhaft hingemeißelten Behauptung der jeweiligen göttlichen Eigenschaft folgt die „Beweisführung“ in raffiniertester Registrierung. In „Gott ist heilig“ (II) wechseln dissonanzenstrotzende Clusterbildungen mit Verläufen einzelner Töne. Von nicht weniger packender Intensität erfüllt zeigt sich das „Gott ist gewaltig, ewig, unwandelbar“ (V). Akkordische Ausrufezeichen im Fortefortissimo suchen das Ewige zu fassen und zu behaupten, während sich die göttliche Unveränderlichkeit in engen Intervallräumen ätherisch schwebend und stufenweise immer höher steigend manifestiert. Nicht weniger faszinierend die Ausdeutung der meditativen Feststellung „Gott ist einfach und die Drei sind eins“ (VIII), die vor analytisch-klangsinnlichen Farbenspielen nur so überzuquellen scheint. Man kann Winfried Kleindopf gar nicht genug für seinen engagierten Messiaen-Einsatz anlässlich von dessen diesjährigem 100. Geburtstag danken. Mit nicht weniger Einsatz und Verkün-digungseifer stellt der Organist Johann Sebastian Bachs Trinitätsbekenntnis vor. Dafür wählt er überwiegend die klangliche Direktheit, die sich in der fast durchgängigen Verwendung von scharftönigen Prinzipalstimmen offenbart. Schnörkellos erklingt die erste Version in den drei Oberstimmen und im Pedal, während die zweite Variante als dreistimmige Fughette nur manualiter erklingt. Für sie verwendet er schnarrende Zungenstimmen, die geradezu einen Verfremdungseffekt der Choralmelodie erzeugen. Vermutlich aus Bachscher Feder oder gar der von Johann Ludwig Krebs (1713-1780) entstammt noch eine dritte Choralversion, die sich mit näselnder „Vox humana“-Stimme aussingt. Festlich, erhaben und ziemlich legatoflächig erklingt das rahmende Es-Dur-Präludium, strahlend und festlich die dazu gehörige Es-Dur-Fuge. Ein erkenntnisgewinnender Abend.Peter Buske

Peter Buske

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