Kultur: Eintönig, skelettiert
Ein Konzert für Flötenmusik in der Friedenskirche mit Roberto Fabbriciani, das nicht überzeugte
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Ein königliches Instrument ist sie, die Flöte. Besonders in Potsdam , wo man ihr monarchisches Flair besonders zu schätzen weiß. Und so war am Sonntagnachmittag die Friedenskirche verhältnismäßig gut besucht, als der italienische Flötist Roberto Fabbriciani im Rahmen eines Gastspiels der 15. Havelländischen Musikfestspiele zu einer chronologisch angelegten Reise durch die Jahrhunderte einlud.
Vom Barock bis zur Moderne reichte die Spannbreite des Ausgewählten, das unter dem Titel „I colori del suono“ – also „Die Farben des Klanges“ – mit mancher gefälligen oder ungewöhnlichen Piece, aber auch mit Fragwürdigem aufwartete. Bekanntlich verfügt die Querflöte über ein eher eingeschränktes Klangspektrum, an dem sich Tonsetzer der verschiedensten Zeitepochen orientierten und es beim Komponieren von Solostücken berücksichtigten, beispielsweise der Franzose Claude Debussy in seiner schillernden, atmosphärisch dichten „Syrinx“-Hommage an jenes antikische Blasrohrbündel, bestehend aus mehreren und verschieden langen Pfeifen. Wer sich in der griechischen Mythologie auskennt, der weiß, dass die arkadische Nymphe Syrinx die Liebe des Hirtengottes Pan verschmähte, vor seinen Nachstellungen floh und sich in Schilfrohr verwandelte. Daraus fertigte er die Syrinx genannte Flöte, auf der er dann seine Lieder spielte. Folgerichtig nannte man sie später Panflöte. Schade, dass Debussys liebliche „Syrinx“-Melodie kaum von ihren klangsinnlichen Reizen künden konnte, weil Roberto Fabbriciani zwar mit viel technischem Einsatz, aber wenig Gefühl einen überwiegend nüchternen Ton produzierte.
Oberflächenpolierter Klang und Spuren von bläserischem Witz zeichnete die Wiedergabe der Strophensammlung „Il Capriccio strambo d'un flautista eccentrico“ von Leonardo De Lorenzo (1875-1962) aus. Des Modernisten Bruno Maderna klangspröde „Cadenza“ entpuppte sich als ein Vorführstück für exorbitante Intervallsprünge, diverse Blastechniken wie Flatterzunge oder Überblasen. Intensiv versenkte sich der Flötist schließlich in die Etüden „tanguistique Nr. 3 und Nr. 4“ von Astor Piazzolla: besinnlich, gefühlsinnig und bluesnah die eine, quirlig und warmgetönt die andere. Alle diese Kompositionen, die nach der Pause erklangen, entsprachen den Fabbricianischen Klangintentionen.
Vor der Pause gab er sich dagegen ganz dem Virtuosen, seiner zweiten Seelenseite, hin. Brillanz um jeden Preis hieß wohl seine Devise. In Bravourvariationen per flauto solo aus den Federn von Franz Anton Hoffmeister (1754-1812) und Saverio Mercadante (1795-1870) über Arien und Themen von Mozart und Haydn konnte der Flötist mit rasanten Staccati, rauschenden Klangkaskaden und diversen Verzierungen brillieren. Das wollte er auch mit der Jean-Jacques Rousseauschen Transkription des „Frühling“-Konzerts aus Vivaldis „Jahreszeiten“-Zyklus und der eigenhändigen Verwurstung von Bachs Orgel-Hit „Toccata und Fuge d-Moll BWV 565“. In beiden Fällen ist die Grundsubstanz der Werke beschädigt, der Vivaldische Klangfarbenreichtum mit seiner Aufteilung in Melodie- und Orchesterstimme völlig eingeebnet. Ähnlich verhält es sich mit dem Bach-Original, dessen enormer Klangraum mit den Register- und Farbwechseln ebenfalls skelettiert wurde. Hierbei mangelte es an Tiefe, während die Höhe grell und schrill tönte. Beides ist nix für die Flöte. Warum musste es dennoch sein? Peter Buske
Peter Buske
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