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Kultur: Elektro von der Baustelle

Kreative Sound- und Videotüfteleien im Spartacus

Stand:

Kreative Sound- und Videotüfteleien im Spartacus Spartacus goes Baustelle. Für die Veranstaltung „Under DeConstruction" mussten DJ Seidemann und die Videotüfftler „framefarmers“ fest anpacken: Im Christo''schen Wahn verwandelten sie das Potsdamer Spartacus mit Absperrband und Planen in eine Baustellen-Landschaft. „Alles unbrennbar“, stellt der Veranstalter alle brandschutz- und sicherheitstechnischen Bedenken gleich im Vorfeld zurück. Riesige Leinwände bieten Platz für die Videoeinspielungen der „framefarmers“. Schöne Idee also, die sich die Potsdamer Elektro-Frickler ausgedacht haben. Aber auch harte, DJ-untypische Arbeit. Seit 10 Uhr früh haben sie geackert, um den Saal vorzubereiten. Zwischendurch ging es ins T-Werk. Dort lief das Tanztheaterstück „Off the map“. Die Musik zum Stück schrieb Seidemann, die Videoeinspielungen kamen, na klar, von „framefarmers“. „Wir arbeiten schon Jahre lang zusammen. Neben Kollegen sind wir auch gute Freunde, das ist wichtig wenn man zusammen Musik macht“, gibt Seidemann das Betriebsgeheimnis Preis. Beim Auflegen beeinflussen sie sich gegenseitig. Die Videoeinspielungen und die Break- und Downbeats von Seidemanns Plattenteller werden bündig aufeinander zugeschneidert. Leider müssen die beiden erst einmal die Erkenntnis hinnehmen, die Tocotronic vor Jahren depressiv-ernüchternd besangen: so gut die Idee auch ist, es nützt gar nichts, wenn die Welt bzw. in diesem Falle Potsdam, nicht bereit ist. Potsdams Ausgehszene treibt sich derweil nämlich lieber auf der Hafenparty herum und beklatscht leicht bekleidete Damen, die No Doubts „Don''t Speak“ karaokemäßig vergewaltigen. Während der Lustgarten sich allmählich in eine Scherbenwüste aus Ex-Bierflaschen verwandelt und der „Holzmichlsong“ von jungen Leuten im Eins-Komma-Promille-Bereich (zum wiederholten Male) angestimmt wird, spielen Seidemann & Co. ihr Kreativ-Set zunächst vornehmlich für die unterbeschäftigte Barbedienung. Nach Mitternacht füllen sich die gemütlichen Sofas des Spartacus, die aus der Folienwelt ragen, langsam mit Endzwanzigern, die die Musik aber eher als Gesprächsuntermalung, denn als Tanzmusik benutzen. „Für mich ist Auflegen mehr als nur ein Job. Ich geh nur zufrieden nach Haus, wenn die Leute tanzen und Spass haben“, hatte Seidemann noch zuvor beim Positionieren der letzten Scheinwerfer gesagt. Aber erst zu später bzw. früher Stunde konnten einige musikalisch doch noch überzeugt und auf die Tanzfläche gelockt werden. Vielleicht hatten die Tanzbereiten zuvor Skrupel, das auf den Boden geklebte Absperrband zu übertreten, das die Tanzfläche markierte. Letztendlich und glücklicherweise blieben die Videoeinspielungen an diesem Abend nicht die einzigen schnellen Bewegungen im Raum und die Musik bekam tanzender Weise, den Repekt, den sie verdiente. Christoph Henkel

Christoph Henkel

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