Kultur: Elfmal gestorben
Ein Dokumentarfilm porträtiert die Komparsin Johanna Penski
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Feine Frauen spielt sie nicht gern. Etepetete zu sein liegt ihr überhaupt nicht. Viel lieber mimt sie eine Hauswartsfrau: Johanna Penski, 86 Jahre alt und Komparsin. Mit seinem Dokumentarfilm „Sternstunden“, der am Dienstagabend im Filmmuseum lief, hat Regisseur Henning Drechsler ganz besonders Johanna Penski, aber auch allen anderen, die als Statisten und Komparsen am Filmset meist im Hintergrund stehen, eine liebevolle Hommage gewidmet.
Die Idee hatte Henning Drechsler schon im Kopf, suchte Protagonisten, als er 2011 in Berlin auf die filmbegeisterte Komparsin traf. Zur ersten Begegnung kam es beim Dreh für eine Comedy-Geschichte, in dem Henning Drechsler hinter der zweiten Kamera stand und Johanna Penski eine kleine Rolle hatte: Sie wurde fälschlicherweise erschossen. „Da musste ich ganz langsam am Auto runterrutschen und in dem Moment haben die unter dem Auto eine Matte durchgeschoben damit ich nicht mit den Knien auf die Steine falle“, so Penski. Ein Problem war die Szene für sie, die sich mit Gymnastik und Rückwärtslaufen fit hält, nicht. Schon elfmal lag sie als Leiche im Müllkasten, auf dem Seziertisch oder der Straße. Sie sagt: „Das mache ich auch alles mit.“ Für die kleinen Sprechrollen, die sie eine Zeit lang öfter in „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ hatte, sei sie zwar stets tausend Tode gestorben. Aber geschafft habe sie das immer.
Für „Sternstunden“ hat Henning Drechsler Johanna Penski und ihre Freundinnen auch an die Drehorte zu „Kokowääh 2“ und von „Weißensee“ begleitet. Dass er, der sich nach langjähriger Kamera-Arbeit für Spielfilme an der Kunsthochschule für Medien in Köln mit Dokumentarfilmregie beschäftigte, an den Sets viele Berufskollegen kannte, kam ihm dabei zupass. „Natürlich wussten wir, wie wir uns zu verhalten haben. Trotzdem war es ein bisschen komisch“, erzählt er, „zu seinen Kollegen zu kommen und die zu drehen, sodass sie Part eines Dokumentarfilms werden. Nach anfänglichem Beäugen haben sich beide Seiten aber schnell an die Situation gewöhnt.“
Johanna Penski taucht in Filmen von Till Schweiger, Wim Wenders oder Leander Haußmann auf. Zum ersten Mal stand sie 1944 durch Vermittlung eines Aufnahmeleiters in ihrer damaligen Heimatstadt Treptow vor der Kamera, wo Veit Harlan den Durchhaltefilm „Kolberg“ drehte. Während der Dreharbeiten zu „Sternstunden“ erinnerte sich die ehemalige Sportlehrerin, die sich nach dem Tod ihres Mannes und ihrer Pensionierung voll auf ihr Filmhobby konzentriert, besonders an diese Zeit: „Da sind bei mir Tränen geflossen, weil mich das alles daran erinnerte, was man mit uns als Jugend gemacht hat.“
Den Wunsch nach Schauspielunterricht hatte sie nie: „Ein Regisseur hat mir mal gesagt: ,Johanna, nimm bloß keinen Schauspielunterricht.’“ Bis heute hat sie an 866 Fernseh- und Kinofilmen mitgewirkt, 1000 sollen es noch werden, bevor sie irgendwann aufhört. Als sie den Kinosaal verlässt, kommt ein älterer Herr auf sie zu. Er weiß, sie hat auch ein Buch geschrieben. Warum denn darüber nichts im Gespräch zu erfahren war? „Ach, das habe ich vergessen“, sagt Penski und strahlt. Gabriele Zellmann
Gabriele Zellmann
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