Kultur: Elvis-Timbre: Adam Green in der Schinkelhalle
Es gibt diesen Moment, wenn ein Schlafender erwacht. Manche sagen, das Fenster zur Seele ist nie weiter geöffnet als in diesem Augenblick.
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Es gibt diesen Moment, wenn ein Schlafender erwacht. Manche sagen, das Fenster zur Seele ist nie weiter geöffnet als in diesem Augenblick. Mit einem verwirrt-melancholischem Blick versucht der Erwachte die Welt um ihn herum zu erfassen. Adam Green hat diesen Moment zu einem Dauer-Zustand auf seinem Gesicht eingefroren: immer leicht skeptisch um sich blickend mit den müden Augen eines Bernadiner, den man soeben aus seiner Hütte gezerrt hat. In seine Musik legt er das Timbre von Elvis und Scott Walker und singt dabei Texte, die eine Mischung aus Kurt Schwitters und vulgären Schulhof-Witzen sind.
Adam Green hat seine Band in den Staaten gelassen und in Potsdam zur „Special Solo Performance“ geladen. Mit seiner Gitarre in der Hand schlurft er auf die Bühne der Schinkelhalle. Nebel umschlingt ihn und er schiebt seinen schmalen Körper schüchtern auf einen Barhocker. Applaus und Rufe begrüßen ihn. Nirgends ist der New Yorker beliebter als in Deutschland. Mit glasklarer Stimme setzt er zu „My Shadow Tags On Behind“ vom Debütalbum „Garfield“ an. Und bricht schnell ab. Ein Zuschauer störe ihn mit Zwischenrufen. Auch bei den folgenden Songs unterbricht er, um den mitteilungsfreudigen Fan, der im Rollstuhl direkt vor der Bühne sitzt, zurechtzuweisen. Die Euphorie im Publikum verflüchtigt sich, auch weil Green den Störer permanent „wheelchair man“ ruft. Unangenehm.
Glücklicherweise ist Green einige Songs später von anderen Fans abgelenkt: zwei Gesellen in voller Walz-Montur haben sich direkt vor die Bühne gesetzt. „Sind das historische Kostüme?“, fragt Green. Fast. Aber schon glaubt Green die Lösung zu haben: „Oh, you are Amish people“, freut er sich und lädt die Zwei zum Background-Gesang bei „The Prince''s Bed“ auf die Bühne ein.
Green spielt sich durch seine vier Alben und geht auf Zuschauerwünsche ein. Seine sonore Stimme steht im wunderbaren Gegensatz zur aufgesetzt dilettantischen Gitarrenarbeit mit schnarrenden Picking-Mustern, schrammeligen Akkorden und schnarzenden Solo-Läufen über das Griffbrett. Für eine der Zugaben kommt seine Vorband The Pierces samt Gitarrist zurück auf die Bühne. Während die zwei Schwestern ihre Strophen singen, kann Green endlich seinen patentierungswürdigen Tanz auspacken. Schlaksig zappelt er sich in die Herzen der Zuschauer, die seine Bewegungen mit wohligem Johlen quittieren.
Für „Bartholomew“ gesellt sich Greens Freundin Loribeth an seine Seite und man ist sich nicht sicher, ob sie seine Melodie mitsingen oder eine zweite Stimme intonieren möchte - es klingt auf jeden Fall sehr schräg. Die paar neuen Songs, die er spielt, fallen nicht aus dem Rahmen. Christoph Henkel
Christoph Henkel
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