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Kultur: Emilie Schindler, unbekannte Heldin

Lesung in der Truman-Villa: Erika Rosenberg rückt die Geschichte zurecht

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Lesung in der Truman-Villa: Erika Rosenberg rückt die Geschichte zurecht Emilie Schindler sei eine vergessene Heldin, betonte Erika Rosenberg am Donnerstagabend mehrmals im voll besetzten Kaminzimmer des Truman-Hauses der Friedrich-Naumann-Stiftung. Die in Argentinien geborene Journalistin, deren Eltern, deutsche Juden, während der Naziherrschaft emigrieren mussten, lernte Emilie Schindler 1990 in einem kleinen Dorf in der Nähe von Buenos Aires kennen. Dort lebte Emilie Schindler mit 45 Katzen, zwei Hunden und in bitterer Armut. Sie war Ende der fünfziger Jahre von ihrem Mann mit einer großen, schuldenbehafteten Nutria-Zucht alleine gelassen worden – eine Reise nach Deutschland wegen Zahlungen zum Lastenausgleich hatte Oskar genutzt, um ganz zu bleiben. Die Witwe des 1974 verstorbenen Oskar Schindler, der im Spielberg-Film „Schindlers Liste“ postume Anerkennung erfahren hat, ist von der Geschichtsschreibung und der Welt ignoriert worden. Erika Rosenberg hat es sich seit den 90er Jahren zur Aufgabe gemacht, Emilie Schindlers Verdienste deutlich zu machen und sie aus dieser Vergessenheit zu holen. Als sie zum ersten Mal in das kleine Häuschen mit den von den Katzen abgekratzten Tapeten kam, wusste sie, dass sich ihr Leben ändern würde. Sie sprach mit der nicht leicht zugänglichen Emilie, sammelte auf 400 Kassetten 70 Stunden Rohmaterial über das Leben der Ehefrau des berühmten Retters. Sie schrieb mehrere Bücher und begleitete fortan Emilie Rosenberg bei einigen Reisen und half ihr auch, im Jahr 2001 wieder nach Deutschland zu kommen, wo sie starb. Die ehemalige Lehrerin betonte, dass Emilie ebenso stark wie ihr Mann an der Rettung der 1300 Juden beteiligt gewesen sei und nicht, wie im Film dargestellt, lediglich eine gelangweilte und hintergangene Industriellengattin. Emilie war es, wie auch in der von Rosenberg zusammengetragenen Erinnerungsschrift „Ich, Emilie Schindler“ nachzulesen ist, die die Betriebserlaubnis für das Munitionswerk in Brünnlitz in Mähren erwirkt hat und die darüber hinaus viel für die jüdischen Arbeiter tat. In diesem Werk wurden die Juden aus dem Lager Plaszow, das geschlossen werden sollte, untergebracht. So entkamen sie Auschwitz. Emilie Schindler, die Katholikin, verhalf gegen ihren Glauben, aber in Erkenntnis der Notwendigkeiten, einigen Frauen, die schwanger waren, zu einer heimlichen Abtreibung. Oder sie beschaffte lebenswichtige Medikamente, Brillen und natürlich vor allem Nahrungsmittel, um ihre Schützlinge arbeitsfähig und am Leben zu halten. Der Film betriebe Geschichtsklitterung, nicht vieles stimme wirklich, sagte die Journalistin, die bei ihren Recherchen auch herausfand, dass die Liste, anders als dargestellt, von dem jüdischen KZ-Aufseher Marcel Goldmann geschrieben wurde. Goldmann ließ sich für jeden aufgenommenen Namen von den Schindlers ordentlich bezahlen und lebte später recht luxuriös in Buenos Aires. Als nach seinem Tod bekannt wurde, wodurch er sich den Reichtum erworben hatte, wurde er exhumiert und zum Zeichen der Schande nach jüdischem Brauch an der Mauer des Friedhofs bestattet. Erika Rosenberg sieht Emilie Schindlers Schicksal, die im Schatten ihres Mannes stand, aber unter seinen amourösen und finanziellen Eskapaden zu leiden hatte, als repräsentativ für diese Frauengeneration. Der ungerechtfertigten Missachtung geht die Autorin beherzt entgegen. Das Publikum war mit ihr empört, dass eine Frau, die so viele Menschenleben rettete, so armselig hatte leben müssen. Man sprach viel über Geld. Ein Thema, das immer interessiert. Lore Bardens

Lore Bardens

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