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Kultur: Ende aller Hoffnung am Kreuz?

Ein Kapitel Judas Iskarioth zum Auftakt der „Dornenzeit“ in der Friedenskirche

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„Dornenzeit“ auch zum Auftakt der diesjährigen Passionswochen in der Friedenskirche. Mit Musik und Texten will die hier beheimatete Gemeinde bereits im dritten Jahr des Leidens und Sterbens Jesu gedenken. Eine nützliche Zeit unbedingt, denn Christi Passion, im Wortsinn „Sendung“, ist ja ein Geheimnis: Er litt für die Sünden der Welt, er starb für die Überwindung des Todes, er wird Richter sein auch denen, die nicht an ihn glauben.

Einer unter seinen zwölf Jüngern hat ihn verraten, wie es auch heute so viele tun: Judas Iskarioth, Sohn des Simon. Schicksal, höhere Notwendigkeit? Dieser Frage ging die Auftaktveranstaltung zur samstäglichen Vesperzeit nach. Matthias Jacob besorgte mit Johann Sebastian Bach, Johann Gottfried Walther und Frank Martin für die Musikauswahl, Klaus Büstrin wählte, wie eigentlich immer, nachdenklich machende Texte für die etwa fünfzig Besucher. Gut bekannt ist den Potsdamern auch die Flötistin Birgitta Winkler, die mit Matthias Jacob (Orgel) von der Empore herab musizierte.

Fern und verhalten hörte man ihr Instrument beim Andante aus Bachs e-Moll-Sonate für Flöte und Orgel, bevor Klaus Büstrin das titelgebende Gedicht von Markus Schütte vortrug: Zeit des Innehaltens im erwachenden Frühling, „Warten und Weinen“, Eingedenken an Gottes stilles Walten: Zeit der Dornen, Zeit der Passion. Mit Frank Martins opulenter Sonata da Chiesa für Flöte und Orgel bekam das Publikum einen Vorgeschmack auf seine Golgotha-Passion, deren Aufführung man mit dem Oratorienchor Ende dieses Monats erwartet. Gespielt wurde zunächst das Andante, wobei die Orgel eine zweite Flötenstimme über fügsamen Zwölftonfolgen dazugab – wuchtig und zart, klagend und schön.

Mit Judas“ Verrat beschäftigten sich zwei recht unterschiedliche Texte. Robert Walser schildert in dem Gedicht „Der Vollendete“ die Reaktionen der Jünger auf Jesu Ankündigung, einer von ihnen werde ihn verraten, und saß da wie ein bereits Verratener: „Habe ich euch gesagt, was ich nicht sagen sollte?“ Auch Margot Käßmann machte sich Gedanken: In ihrer Version fürchtet Judas, die Sache des Heils könnte durch den Kreuzestod Jesu gefährdet werden, „alles scheint schiefzugehen“. Er will Jesus angeblich handeln, kämpfen, letztlich triumphieren sehen, indes dieser nur rede. Andere drücken das klarer aus: Judas“ Unglaube bewirkte, dass der Leibhaftige in ihn fuhr. Was für ein starkes Exempel!

Ein Glanzstück barocker Orgelkunst bot Walthers Partita „Jesu meine Freude“, elf musikalische Variationen auf eine Grundmelodie, darauf mit viel Gravität die Sarabande für Soloflöte aus Bachs a-Moll-Partita, die einsame, tieftraurige Stimme. Paul Gerhardt im Jahr seines 400. Geburtstages konnte und sollte nicht fehlen: „Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld“ schildert den berührenden Dialog zwischen Vater und Kind, voller Liebe zu Jesus, aber auch im Wissen um eigene Schuld, wovon man heute nichts hören will. Zum Abschluss dieser eindringlichen Vesper hörte man die anderen drei Sätze aus Martins Sonata, ein starkes Finale im Wortsinn. Vielleicht nimmt man sich in den folgenden Wochen der tragischsten Figur in der Weltgeschichte: Ist auch ein Judas noch zu erlösen, oder endete seine eigene Hoffnung am Kreuz? Gerold Paul

Gerold Paul

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