Kultur: Enfant Horrible
Der Comedian Rick Kavanian mit seiner konzeptlosen Show „Egostrip“ im Lindenpark
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Wir alle kennen diese Typen, die auf Familienfeiern oder am Stammtisch ein paar Schenkelklopfer absahnen, indem sie sich ein bisschen um Kopf und Kragen quasseln und mit verstellter Stimme Prominente imitieren. Dann kennen wir auch einen Rick Kavanian.
Am Mittwoch war Kavanian, der seit den 90ern an der Seite von Michael „Bully“ Herbig jedem TV-Konsumenten ein Begriff sein dürfte, im Lindenpark mit seinem Programm „Egostrip“. Es ging um eine Gerichtsverhandlung, genauer um den Prozess Bundesrepublik Deutschland gegen Rick Kavanian, in deren Verlauf der Comedian in sämtliche Rollen der Anwesenden schlüpfen wollte, vom Angeklagten über die Zeugen zum Richter. Gut, dass einem das vorher gesagt wurde, denn der hyperaktive Kavanian sprang so rasant zwischen den Stimmen hin und her, dass die Stringenz des Programms – sollte es eine geben – völlig verwaschen wurde.
Was der multilinguale Kavanian – immerhin spricht er Deutsch, Armenisch, Rumänisch und Englisch – den Figuren sprunghaft in den Mund legt, lebt größtenteils vom Handwerk, nicht vom Inhalt. Prominente imitieren, das Einmaleins jedes Comedians, klappt ja immer: Also gibt es Jürgen Klinsmann, der Schwabe, der sich gerade zwei Kugeln Pinocchio-Eis gekauft hat, es geht um „Bruschtwärzle“ und Sauerstoff in einer merkwürdigen Sprachmischung aus Schwäbisch und Englisch, und plötzlich taucht Bertram Lude auf, der natürlich aus einer Hamburger Zuhälterfamilie kommt, dann muss Kavanian plötzlich biologisch abbaubare Boxershorts für seine Ayurveda-Behandlung anziehen, und dann kommt da noch ein sächselnder Staatsanwalt mit Gemüse-Tourettesyndrom. Fehlt nur noch die berlinernde Putzfrau Mandy Krapolnik, die für 3,50 die Stunde letztens die Schweinerei wegmachen musste, als sich jemand im Gerichtssaal in die Luft sprengte.
Ganz tief durchatmen! Für diesen Dialog der Figuren braucht Kavanian nur ein paar Minuten. Wenn man eine längere Konzentrationsspanne hat, hält man das kaum aus. Man lacht höchstens von Sekunde zu Sekunde und merkt erst viel zu spät, dass man sich die eigentliche Story sparen kann: Wie ein wildgewordener Zappelphilipp hangelt sich Kavanian von einer Pointe zur anderen. Das, was Raum für Absurditäten bieten würde, wird gnadenlos überrollt und weggekalauert. Kavanian will das Enfant Terrible sein, ist aber höchstens das Enfant Horrible. Vielleicht ist diese ganze Rasanz auch der generellen Beschleunigung zu verdanken, die dem Kopf nur noch häppchenweise Nahrung lässt, Internet&Co. sei Dank. Entschleunigung heißt das Gegenrezept.
Klar, Sachen wie der Klitschko-Dialog waren zum Schreien komisch, mit wie viel Liebe zum Detail da ein Akzent dargestellt wurde. Aber für eine abendfüllende Show reicht das nicht. Dann kommen zwangsläufig die flachen Kalauer am Laufband – Grieche=Pleite=Ouzo – und auch Peinlichkeiten: „Wenn Mario Gómez sich nach einem Tor bekreuzigt, braucht Mesut Özil eine Erlaubnis vom Iman, um das auch zu dürfen.“ Bitte nicht! Irgendwann ist der Gipfel der Aufmerksamkeit auch erreicht. Zeit, zu gehen. Oliver Dietrich
Oliver Dietrich
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