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Kultur: Entdeckungsreich

Das Jubiläumskonzert der „Kleinen Cammer-Music“

Stand:

Im Obergeschoss des hellhörigen Bürgerhauses Am Schlaatz wummern die Beats und Bässe einer probenden Band. Als sie enden, sorgen die für einen afrikanischen Gottesdienst erforderlichen Trommelschläge für ein neues Rhythmusgefühl. Das kann ja heiter werden, wenn die Harmonie der Welt in Form himmlischer Musik – wie sich latinisiert die exquisite Konzertreihe des Potsdamer Ensembles Die kleine Cammer-Music nennt – sich dagegen durchsetzen will. Sie kann es, denn das Zeitmanagement des Kulturhauses sorgt dafür, dass jeder pünktlich und ungestört seinen Professionen nachgehen kann. Auch die Kenner und Liebhaber, die sich am Wochenende in großer Zahl im akustisch vorzüglichen Saal eingefunden haben, wissen es zu schätzen. Es ist traditionell ein Vorabend fürs gleiche Konzert am Sonntag im Friedenssaal. Dort allerdings ohne die Erläuterungen des Programms, das sich „a quattro“ nennt und Musik des 18. Jahrhunderts aus dem Umfeld des preußischen Hofes und des Berliner Bürgertums vorstellt.

Für die Entdeckungsreise gibt Wolfgang Hasleder, Spiritus rector der Konzertunternehmung, den Zuhörern wichtige Erläuterungen mit auf den bevorstehenden Hör-Weg. Detailreich, fachwissenschaftlich fundiert und, nach eigener Erkenntnis, „etwas nuschelig wie alle Österreicher“. Zufall oder Absicht, dass die Truppe mit ihrem Spieltermin an jene „Musikalischen Akademien“ anknüpft, zu denen der Kontrabassist Johann Gottlieb Janitsch, Mitglied der Kapelle Friedrichs II., freitags in seine Wohnung einlädt?! Von ihm erklingt die Sonata da camera g-Moll op.4. Zuvor erhalten wir Wissbegierigen Kunde, dass „a quattro“ nichts anderes bedeute als „zu viert“. Also setzen sich mit Continuounterstützung durch Cembalistin Sabine Erdmann die Streicher Wolfgang Hasleder (Violine), Heinrich Kubitschek (Viola) und Kathrin Sutor (Cello) für das ausdrucksstarke Opus ein. Das Sagen hat allerding Oboist Robert Herden mit seinem Barockinstrument, das weitgehend aus Grifflöchern besteht und nur über zwei Klappen für die Tiefe verfügt. Abwechslungsreich klingen die vier Sätze, ein leichter Lamentoton liegt in der Luft. Dann folgt Aufgeregtes bis Unwirsches, mit einer Prise von Sturm und Drang durchweht.

Doch zuvor kommt Friedrichs Hofcembalist Christoph Schaffrath mit zwei Werken zu Wort, die den Bogen zwischen Kontrapunkt und galanten Klangwelten spannen. Zunächst die formstrenge d-Moll-Ouvertüre für Streicher und Basso continuo. Sie erklingt in historischer Aufführungspraxis: vibratolos, straff, ein wenig klangspröde im Largo-Teil, flink, lebendig und voller terrassendynamischer Abwechslungen im Allegro. Galant, beschwingt und weitgehend konfliktfrei breitet sich danach das F-Dur-Quartett aus. Die zweite Violine spielt Rahel Mai, das Cembalo begleitet weit über das übliche Maß trockener Akkordpassagen hinaus. Die Oboe näselt wie erforderlich, klingt im Lauten jedoch zu durchdringend. Zum Höhepunkt gerät jedoch das Melodram „Ariadne auf Naxos“ für Sprecher und Streichquartett von Georg Benda, eine einst weitverbreitete Form des intensiven Wechsels von dramatischem Wort mit illustrativer Musik. Mit markanter Ausdrucksintensität gestaltet Alexandra Bronneske die Seelenqualen der Ariadne zwischen Liebesschmerz und Todesangst. Ohne Pathos, eher nüchtern rezitiert Andreas Hueck den Part von Ariadnes Ex-Geliebten Theseus. Eine interessante Wiederentdeckung, viel Beifall. Peter Buske

Peter Buske

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