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Kultur: Entwaffnende Maskerade

Clowns-Studien von Menno Veldhuis im Gründerzentrum in der Puschkinallee

Stand:

An der Wand des Ausstellungsraums im Gründerzentrum in der Puschkinallee hängt eine Fieberkurve des Schaffens von Menno Veldhuis. Drei Monate lang habe er wie im Rausch gemalt, sagt der 31-jährige Holländer, der seit anderthalb Jahren in Potsdam lebt und arbeitet. Noch immer ist er ergriffen von der Intensität des kreativen Prozesses, die ihn in Besitz nahm und nicht mehr los ließ, bis er die Clownsköpfe, die er in unendlich scheinender Variation ausprobierte, „nicht mehr sehen“ konnte. Sie erscheinen allein, in Gruppen, zu viert oder in Massen, ihr Gesichtsausdruck wandelt sich von verwirrt-verloren bis zu euphorisch-siegesgewiss. Aber immer bleibt den manchmal an Eierköpfe, dann wieder an Schachfiguren oder Wikinger erinnernden Gestalten der Ausdruck des Erstaunens über das eigene Selbst ins Gesicht geschrieben.

Er habe seine Angst vor der Ölmalerei überwinden wollen, sagt stolz der junge Künstler, der in Kampe am Eiselmeer studierte, und man kann sehen, dass ihm das gelungen ist. Unbekümmert zeigt er auf Überpinselungen, so bei einem Pferdekopf, der ein wenig zu breit geraten war. Der wird dann zwar verbessert, aber so, dass der Betrachter die Pinselstriche erkennen kann, die retuschieren sollten. So baut er das Lernen gleich in die Malerei mit ein, und manchmal lacht Veldhuis genauso erstaunt über sich selbst, wie viele seiner Figuren das vormachen.

Die Nähe zum Comic kommt daher, dass Veldhuis vor der Akademie hauptsächlich Comics zeichnete. Wenn die beiden alten Clowns im Doppelstockbett selbstvergessen über ihre Bäuche streichen und nicht einschlafen können, weil die Riesenaugen sich zwanghaft offen halten, kann der fantasiebegabte Betrachter die einsilbige Unterhaltung hören, die zwischen dem oben liegenden, brotlaibgesichtigen Clown und dem unten liegenden, Dickbäuchigen, geführt wird: „Bist du müde?“ fragt der eine. „Ja,ja“, seufzt der andere, „aber schlafen kann ich nicht“. Das konnte auch Menno Veldhuis häufig nicht, als er von dem Clownsrausch besessen war und z.B. ausprobieren musste, wie die Fackeln die Demonstration der vielen Eierköpfe beleuchten würden, ob ihr Schein sich trifft und dadurch stärker wird und wie der Schatten richtig gemalt wird. Herausgekommen sind befremdlich-anheimelnde Bilder, die in ihrer naiven Kindlichkeit zum Lachen reizen, aber in der Art, wie der Pinsel manchmal zu stocken scheint und sich so eine gewisse Steifheit über die Farbenvielfalt legt, dasselbe in der Kehle stecken lassen. Vielleicht ist es das, was die Unterzeile der „Clownstrophobie“ genannten Schau meint, wenn sie von „Gesellschaftsmaske Ironie und Kritik“ spricht. Wenn sich zwei riesenäugige, fratzenhafte Clownsgesichter halb im Spiegel auf einer Art Billardtisch treffen und dabei ihre dreifingrigen Hände fleischig in die Gegend strecken, mag man ebenso wenig an Gesellschaftskritik denken wie an Ironie. Vielmehr ist es eine naive Unbekümmertheit, in der ausprobiert wird, was geht, und da nimmt man sich auch mal der ganz Großen wie de Chirico an. „Der Prozess war mir lieber als das Resultat“, sagt Veldhuis, denn er wollte sich selbst den „Mut abquäken“ – was immer das heißen mag. Dass er „noch ganz viel auf dem Weg“ ist, ist erkennbar, aber wie er auf dem Weg wandelt, ist fröhlich, ängstlich, großmütig und farbenfroh, also durchaus sehenswert.

Zu sehen bis 23. Juli im Künstler- und Gründerzentrum am Pfingstberg, Puschkinallee 16, Fr, Sa, So 14 bis 19 Uhr und nach Vereinabrung (Tel. 01747600553).

Lore Bardens

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