zum Hauptinhalt

Kultur: Er der Kopf, sie der Hals

Marie-Luise Schwarz-Schilling erklärte in der Urania die Ehe zum „Seitensprung der Geschichte“

Stand:

Bevor Gott aus Adam Eva schuf, so erzählen es die Kabbalisten, habe es eine andere Frau für ihn gegeben, Lilith. Sie glaubte sich freilich der vor ihr geschaffenen „Krone der Schöpfung“ ebenbürtig, weigerte sich, ihm Untertan und Dienerin zu sein. Zur Strafe wurde sie verflucht und verstoßen und muss, dem ewigen Juden Ahashver gleich, bis zum Ende der Welt hienieden wandeln, genau wie es die Offenbarung Johanni beschreibt.

Ganz so weit zurück griff die Buchautorin und Urania-Referentin Marie-Luise Schwarz-Schilling am Dienstag bei ihrem Vortrag zu Geschichte und Zukunft der Ehe nicht. Aber bis zum babylonischen Gesetzgeber Hammurapi schaffte sie es, um mit glasklaren Beweisen vor einem Dutzend Leuten guten Glaubens behaupten zu können, besagtes Ding, also die Ehe, sei nichts von Dauer, nur ein „Seitensprung der Geschichte“. Falls aber doch, dann bitteschön unter dem Matriarchat, was sie später aber wieder relativierte. Viel Klarheit also unter Uranias Himmeln. Ihre historische Beweisführung hatte viel Edles: Vor der Bronzezeit – woher weiß sie das eigentlich? – war alles anders, da stand die Familie im Bann der Blutsverwandtschaft und aus dem Sex ergaben sich keine sozialen Verpflichtungen, weil die Kinder angeblich eh zur Mutter gehörten. Bei Hammurapi geschah es dann: Durch Krieg, Eigentum und Sklaven bewirkt, eilte „die bei Männern so unbeliebte Ehe“ heran. Seither plagt und martert die traditionsbefleckte „Vaterfamilie“ alle armen, ehrlichen Gattinnen. Ist denn da gar keine Hoffnung?

Vorerst durchquerte ihr Vortrag mit Sieben-Meilen-Stiefeln Athen, den mittelalterlichen Oheim-Kult, um endlich kundzutun, dass erst die französische und amerikanische Revolution die „Liebesehe“ erfunden hätten. Mehr noch, im 20. Jahrhundert war dann „plötzlich“ auch noch die Gleichberechtigung da! Das Ende der bisherigen Ehe, ganz klar! Sie hielt halt nur von Hammurapi bis heute!

Man hörte der Publizistin aufmerksam zu und glaubte ihr diesen Quark. Schließlich hat die Autorin nicht nur bücherdicke Forscher konsultiert, sondern auch ihre 50-jährige Ehe-Erfahrung mit dem Ex-Postminister gleichen Namens eingebracht, und das nicht mal zu knapp. So quälte sie sich mit Fragen um die Verschiedenheit und Gleichheit der Geschlechter. Sie wollte ja unbedingt all die Klischees vom herrschenden Krieger (Mann) und der treu dienenden Liese (Frau) umgehen. Und fand sich plötzlich in den Sümpfen des aktuellen Biologismus wieder, genauer der Epigenetik, die nun auch noch die letzte Geistregung der Menschen den armen kleinen Zellkobolden andichtet. Da hatten alle Ahnung.

Letztlich aber kehren trotz modernster Rhetorik die alten Verhaltensmuster von Männlein und Weiblein immer wieder in die Köpfe zurück. 208 Generationen in den bisherigen Rollen kriegt man eben nicht von heute auf morgen aus den Leuten heraus. „Es wird Generationen dauern“, seufzte Marie-Luise Schwarz-Schilling. Na, bis dahin kann man ja die gute alte Ehe zurückbitten.

Wie auch immer: Weil nun vor Hammurapi keine echte Ehe gewesen sein kann und angesichts von Gender und anderen Verheerungen auch in spe keine mehr sein soll – und weil die Referentin es so auffällig unterließ, mal in die Vergangenheiten Chinas, Afri- und Amerikas zu schauen – eben deshalb kann es „historisch“ gar nicht anders sein, als es ihr Buch „Die Ehe als Seitensprung der Geschichte“ und der Vortrag zu behaupten wagen. Kein Wort, wie man die Ehe retten könnte, keins!

Nun ist man aber heutzutage vorsichtig geworden. Alle wollen ohne Gott und Himmel leben, da hat jeder seinen Rat. Was will die Buchautorin Schwarz-Schilling denn nun trotz ihrer kruden Logik und femininen Rösselsprünge wirklich? Zweierlei. Sie hält der tradierten Ehe zwar selbst die Treue, sagt ihr aber keinerlei Zukunft voraus. Nachdem sie sie abgehakt hatte, gibt sie ihr plötzlich doch wieder eine Chance, „neben anderen Lebensformen“, die sich derzeit entfalten, besser: entfaltet werden. Sogar Zweierbeziehungen aus Mann und Frau favorisiert sie ganz aus heiterem Himmel, freilich nur auf Augenhöhe, so wie es die feuerhaarige Lilith einst wollte.

Trotz eines erfahrungsreichen und belesenen Lebens scheinen Marie-Luise Schwarz-Schilling ein paar Elemente fürs Eheleben entgangen zu sein. Zum Beispiel, dass Liebe zuerst Helfen bedeutet, dass immer der jeweils Stärkere führen soll und dies im Leben auch wechselt. Schließlich der Geheimspruch jeder anspruchsvollen Gattin von gestern: „Der Mann ist der Kopf – aber die Frau ist der Hals“. Und schon ist es aus mit allem Gequase. Mit und ohne Urania!

Gerold Paul

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })