
© Arne Weychardt
ZUR PERSON: „Er glaubt, er kann es halt noch wuppen“
Frank Schulz hat den „durchgeknalltesten Krimi der Dekade“ geschrieben – heute liest er in Potsdam Onno ist ein Mensch, kein unsympathischer Mensch. Er kann nur nix“ So schlau ist selbst Onno, dass der Staat erbarmungslos ist, wenn er Geld haben will“
Stand:
Herr Schulz, was um Himmelswillen treibt Onno Viets, einen „53-jährigen Greis“, wie ihn seine Freunde nennen, Hartz-IV-Empfänger, Noppensockenträger, ungeschlagener Meister der Tischtennis-Altherrengruppe im BSV Hollerbeck-Eppendorf und Hühnerkopfphobiker, ausgerechnet in den Wahnwitz, Privatdetektiv zu werden?
Da er schon, sagen wir mal, ein gutes Dutzend Berufe hinter sich hat, in jedem gescheitert ist und sogar zweimal Konkurs gegangen ist, bleibt da ja nicht mehr allzu viel. Und da der Fiskus noch Forderungen an ihn hat, die irgendwann ja auch bezahlt werden müssen, muss er sich was einfallen lassen. Außerdem wird seine Frau 50 und er würde ihr so gern ein Fahrrad schenken.
In Ihrem Buch „Onno Viets und der Irre vom Kiez“, das Sie am heutigen Samstag in Potsdam vorstellen, heißt es über seinen Tatendrang: „Verglichen mit Onno war Aas emsig.“ Eine seiner herausragenden Fähigkeiten ist das Sitzen. „Legion die Gartenstühle, aus denen ihn im Morgennebel die Feuerwehr hatte schweißen müssen. Legion die Sofas, Sessel, Küchenbänke, denen er die Flausen ausgetrieben hatte. Nur durch höchste Konzentration seiner über die Jahrzehnte nahezu unverändert gebliebenen fünfundsiebzig Kilogramm Lebendgewicht auf die Gesäßmuskeln. Durch energischen Nießbrauch der Erdanziehungskraft. Aktive Passivität. Zen in Reinform. Zen ohne den Zenquatsch“, heißt es da. Warum sitzt Onno die Forderungen vom Fiskus nicht einfach aus?
Irgendwann geht es halt nicht weiter. So schlau ist selbst Onno, dass der Staat erbarmungslos ist, wenn er sein Geld haben will. Da bleibt ihm nur die Alternative: aussitzen im Knast oder zahlen. Und auch wenn er gern und gut sitzt, aber im Knast will er das nicht tun.
Aber warum ausgerechnet Privatdetektiv?
Onno hat im Fernsehen eine Sendung über Privatdetektive gesehen und er greift dann gern nach dem nächstbesten Strohhalm. Seine Freunde sind dann ja auch regelrecht entsetzt darüber, was er sich da schon wieder einfallen lässt. Aber so kommt es dann halt.
Es ist ja der klassische Konflikt, den Sie beschreiben: Das Herzensgute, also Onno, trifft auf das Böse, auf Tibor Tetropov, genannt Händchen, nicht nur körperlich eine Kiezgröße in Hamburg. Es kommt zum unvermeidbaren Zusammenprall.
Halb wollend und nolens volens wird Onno ja da reingezogen. Eigentlich hatte er sich ja schon entschieden, die Finger von dem Auftrag zu lassen. Doch dann kommt es zu dieser Begegnung mit der Taube, die ihn unangenehm an seine Phobie erinnert, die ja für seine Welt- und Lebensangst insgesamt steht. Der Auftraggeber ruft an und verspricht ihm einen Extrabonus, wenn er jetzt auch noch nach Mallorca fliegt. Und er glaubt, er kann es halt noch wuppen.
Dieser Auftraggeber ist Nick Dolan alias Harald Herbert Queckenborn, ein „berüchtigter Allzweckpromi“ und „Pop(p)titan“, der seine Geliebte Fiona Popo, Gewinnerin eines berühmten Pornocastings, des Fremdgehens überführen will. Die Parallelen zu heutigen Castingshows und zu Dieter Bohlen sind ja überdeutlich. Braucht man sich im Grunde nur den Boulevard anschauen und die dort omnipräsente C-Prominenz nur etwas variieren, schon hat man die herrlichsten Figuren für einen Roman?
Ja, das hört sich jetzt so einfach an und vielleicht ist es auch so einfach. Die Figur von Nick Dolan drängt sich ja geradezu auf. Der ist so omnipräsent, da würde ich schon sagen, dass man sich da nur den Boulevard anschauen muss. Was Fiona Popo angeht, ist das eine Mischung aus verschiedenen Figuren. Ich habe aber einige Mühe darauf verwendet, dass sie ein Mensch bleibt. Und die Zuspitzung auf ein Pornocasting, in der Tat, wenn man sich heute Castingshows anschaut, sind da nur noch ein, zwei weitere Schritte nötig und wir sind bei Pornocastingshows. Es gibt das auch inzwischen schon auf irgendwelchen Verkaufssendern, wo da nachts um zwölf irgendwelche Tittenmiezen gezeigt werden, die da irgendwelche Sachen nachspielen und irgend so ein Idiot mimt die Jury. Das liegt derartig nahe, dass man das gar nicht als Überspitzung bezeichnen kann.
Klingt nach aufreibender Recherche für Ihren Roman.
Ich verfolge diese ganze Kiste schon aus Interesse. Schon vor Jahren, als das losging mit Big Brother und solchen Sachen. Das sind ja Phänomene, die auch Rückschlüsse auf die Gesellschaft zulassen und insofern komme ich da gar nicht dran vorbei. Zeitgenössische Phänomene interessieren mich halt. Gleichzeitig bin ich von der Ambivalenz bestimmter Dinge angefixt worden. Das Dschungelcamp finde ich darüber hinaus interessant, weil es schon selbst mit dem Trashfaktor spielt. Für „Onno Viets und der Irre vom Kiez“ habe ich auch das eine oder andere Buch gelesen und da hat mich vor allem das populärwissenschaftliche Werk „Die Ökonomie der Aufmerksamkeit“ von Georg Franck inspiriert. Das ist sozusagen die Metatheorie zu diesen ganzen Phänomenen.
Warum haben Sie sich nach der Hagener-Trilogie mit Onno Viets für das Krimifach entschieden?
Die Trilogie war eben schon so mein Lebenswerk. Nachdem ich das erledigt hatte, hatte ich das Gefühl, ich kann auch mal ein bisschen die Dienstkrawatte lockern und auch mal was anderes machen. Mit zwölf, dreizehn habe ich mit dem Schreiben begonnen und da hauptsächlich Krimis verfasst. Und die waren natürlich alle furchtbar. Da hatte ich jetzt einfach das Gefühl, ich müsste mich da noch einmal rehabilitieren. Ein kleiner Nebenaspekt ist da noch, dass wenn etwas eine gewisse Krimianmutung hat, so meine Hoffung, da gleich ein paar Tausender mehr über den Tisch gehen.
Mit Onno aber haben Sie einen ziemlichen Antitypen zum bekannten Privatdetektivklischee geschaffen.
Das freut mich.
Onno Viets, ein Hartz-IV-Empfänger, die ja sonst eher schief angeschaut werden. In ihrem Roman ist das aber wirklich ein Typ zum Gernhaben.
So ist es. Ganz genau. Onno weigert sich einfach, nur als Verschiebemasse für den freien Markt zu gelten. Er ist ein Mensch, kein unsympathischer Mensch. Er kann nur nix. Und wo steht geschrieben, dass man qua Geburt dazu verdonnert ist, ein Rädchen im Getriebe zu werden. Was der Arbeitsmarkt braucht, beziehungsweise der Wirtschaftsmarkt, hat ja überhaupt nix damit zu tun, was einen Mensch ausmachen kann. In diesem Sinne pocht Onno einfach nur darauf, ein Mensch zu bleiben. Ohne dass er jemanden irgendwas in die Schuhe schiebt.
Eine bange Frage zum Schluss: Wie geht es weiter mit Onno? Zieht er sich jetzt endgültig zurück auf sein heißgeliebtes Heizkissen Sanitas SHK 29 „(Flohmarkt, drei Euro)“ und überdenkt den Vorschlag seiner Freunde, aufgrund seiner phänomenalen Sitzfähigkeiten vielleicht doch Eier im Akkord auszubrüten?
Es kommt noch mehr. Denn ich habe gleich einen Vertrag für zwei Onnos unterschrieben. Der Vorschuss läuft allerdings schon im Herbst aus und ich habe für das zweite Buch noch keinen Strich getan. Da müssen wir jetzt sehen, wie das alles weitergehen wird. Aber so viel kann ich verraten, Onno bleibt uns erhalten.
Das Gespräch führte Dirk Becker
Frank Schulz liest am heutigen Samstag um 20 Uhr in der Buchhandlung Viktoriagarten in der Geschwister-Scholl-Straße 10. Der Eintritt kostet 10, ermäßigt 8 Euro. Kartenreservierungen unter Tel.: (0331) 967 86 450. „Onno Viets und der Irre vom Kiez“ ist im Galiani Verlag Berlin erschienen und kostet 19,99 Euro
Frank Schulz, geb. 1957 in Hagen bei Stade, ist Schriftsteller und lebt in Hamburg.
Nach seiner Ausbildung zum kaufmännischen Angestellten studierte Frank Schulz von 1981 bis 1987 Germanistik und Psychologie in Hamburg.
Sein erster Roman, „Kolks blonde Bräute“, der Auftakt der Hagener Trilogie, erschien 1991. Zehn Jahre später folgte „Morbus fonticuli oder Die Sehnsucht des Laien“ und im Jahr 2006 „Das Ouzo-Orakel“.
Sein jüngster Roman „Onno Viets und der Irre vom Kiez“ wird schon als „Der durchgeknallteste Krimi der Dekade“ (MDR Figaro) gefeiert. PNN
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