
© promo
INTERVIEW: „Er hat sie sich einfach genommen“
Joschi Graf über seinen talentierten Sohn Gismo, Django Reinhardt und die Lust an der Herausforderung
Stand:
Herr Graf, verraten Sie uns ein Geheimnis. Kinder sind oft bestrebt, etwas anderes zu machen als ihre Eltern. Ihr Sohn Gismo dagegen spielt nicht nur leidenschaftlich Gitarre wie Sie, er spielt mit Ihnen sogar in einem Trio.
Ach, der Gismo hat es uns da sehr einfach gemacht. Er war schon von Kindesbeinen an begeistert vom Gypsy Swing. Er ist ja praktisch da hineingeboren, denn wir haben diese Musik schon immer gespielt.
Wann haben Sie Ihrem Sohn zum ersten Mal eine Gitarre in die Hand gegeben?
Die musste ich ihm nicht geben, die hat er sich einfach genommen. Da war er drei oder vier Jahre alt, also mehr ein spielerischer Zugang. Zuerst hat er nur ein bisschen rumgeklimpert, dann fing er aber schon bald an, Tonfolgen zu spielen und sich Akkorde bei uns abzuschauen. Das haben wir natürlich genau beobachtet und ihm hin und wieder einen neuen Akkord, ein neues Riff gezeigt.
Sie waren also auch sein erster Lehrer?
Ja, und heute ist es umgekehrt. Da zeigt er mir, wie es geht.
Wann mussten Sie erkennen: Mein Sohn ist besser als ich?
Ich habe schon sehr früh erkannt, dass er ein großes, ein überdurchschnittliches Talent ist. Wir haben ihn mit elf, zwölf Jahren ab und an in unserer Band mitspielen lassen. Ein, zwei Titel im Konzert. Da hat er sich immer sehr intensiv drauf vorbereitet und wenn er dann mit eingestiegen ist, hat er wirklich sehr gute Sachen gespielt. Das kam auch sehr gut beim Publikum an.
Konfliktpotenzial scheint es zumindest musikalisch zwischen Sohn und Vater kaum zu geben. Sie spielen die Rhythmus-, Ihr Sohn Gismo die Sologitarre.
Ja, hier sind die Fronten eindeutig geklärt. Im Grunde die perfekte Verbindung.
Es ist vor allem die Musik von Django Reinhardt, die Sie geprägt hat und die auch eine große Rolle im Gismo Graf Trio spielt. Aber für Sie ist das nicht einfach nur Musik.
Django Reinhardt war ein Manouche, also ein französischsprachiger Sinto. Wir selbst sind auch Sinti. Von daher hat diese Art von Musik schon immer eine große Rolle für uns gespielt. Selbst ich bin da reingeboren worden.
Gehörte es schon immer zur Familientradition, dass diese Musik gespielt wurde?
Ja, entweder auf der Gitarre, der Geige oder auf dem Bass. So habe ich auch schon als Kind Musik gemacht und habe als Jugendlicher in einer Band gespielt. Im Grunde habe ich mein ganzes Leben Musik gemacht. Darum steckt auch kein großes Geheimnis dahinter, dass Gismo zu dieser Musik gekommen ist und ebenfalls diesen Weg geht.
Die Musik von Django Reinhardt, was bedeutet die für Sie persönlich?
Sie bedeutet mir sehr viel, weil sie Ausdruck unserer Kultur ist. Ich bin mit ihr aufgewachsen, bin daher mit ihr auch förmlich verwachsen. Django Reinhardt war einer der ersten, die den Jazz nach Europa gebracht haben. Und das er dann noch ein Sinto war, macht mich besonders stolz. Wir spielen daher im Trio viele Klassiker von Reinhardt, aber auch von dem Geiger Stéphane Grappelli. Aber nicht nur diese Klassiker, wir wollen uns da auch ein wenig abheben.
In welcher Form?
Gismo spielt auch eigene Kompositionen. Allein für das aktuelle Album „The pure way“ hat er vier Kompositionen beigesteuert, darunter einen wunderbaren Bossa. Dann kommt es auch vor, dass Gismo sagt, er möchte mal etwas anderes spielen, was nicht direkt aus der Django- Reinhardt- oder Gypsy-Swing-Ecke kommt. Das ist dann mal Stevie Wonder, aber auch der zweite „Norwegische Tanz“ von Edvard Grieg.
Also ein kompletter Bruch vom traditionellen Gypsy Swing?
Nein, das nicht. Gismo versucht hier sowohl traditionelle Elemente als auch seinen eigenen Stil zu verbinden.
Auch um zu verhindern, dass er den Stempel „Django-Reinhardt-Kopie“ aufgedrückt bekommt?
Genau. Es gibt so viele tolle Gitarristen. Aber nicht zu Unrecht wird dann die Kritik geäußert, dass da nur Django gespielt wird. Und niemand braucht eine solche Kopie. Gismo ist es wichtig, dass er nicht in diese Ecke gestellt wird. Darum sind in den Konzerten von ihm immer auch kleine Zitate aus Pop, Rock und selbst der Klassik zu hören.
Wenn Ihr Sohn heute mit neuen Ideen kommt, selbst Klassisches spielen möchte, denken Sie da nicht manchmal: Oh Gott, was ist das schon wieder Verrücktes?
Um ehrlich zu sein, manchmal bin ich wirklich für einen Moment erschrocken. Aber dann erarbeiten wir die Arrangements und ich genieße einfach diese Herausforderung. Und oft erleben wir dann auch eine regelrechte Überraschung, wie gut das passt. Mittlerweile kann ich mich da sehr gut auf das Gespür von Gismo verlassen.
Das Gespräch führte Dirk Becker
„Gypsy Christmas“ mit dem Gismo Graf Trio am morgigen Dienstag, 21 Uhr, im Nikolaisaal in der Wilhelm-Staab-Straße 10/11
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: