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Anerkennung auch für seine Potsdambejahung. Der Geiger Wolfgang Hasleder.

©  Manfred Thomas

Kultur: „Er ist eindeutig unterbewertet“

Wolfgang Hasleder, Preisträger der Brandenburgischen Bach-Gesellschaft, über Carl Philipp Emanuel Bach

Stand:

Herr Hasleder, wie bewerten Sie den Komponisten Carl Philipp Emanuel Bach?

Er ist eindeutig unterbewertet. Von Musikern höre ich immer wieder, dass seine Werke schwierig zu spielen sind. Vielleicht ist das auch eine Erklärung, warum seine Reputation als Komponist nicht so groß ist, wie sie eigentlich sein sollte.

Was macht seine Musik so besonders?

Er vereinigte Eklektizismus mit der Avantgarde, also das Alte mit dem Neuen. Darin war ihm der junge Haydn auch sehr ähnlich. Um das aber zu erkennen, braucht es sehr viel Hintergrundinformationen im ästhetischen, aber auch im historischen Sinn. Dass man die Bedeutung, die Semantik dieser Musik erfasst und so die scheinbar losen Enden miteinander zu einer Einheit verknüpfen kann. Das macht mitunter auch das Hören dieser Musik nicht gerade einfach. Aber ich muss auch zugeben, dass ich als Geiger Carl Philipp Emanuel Bach nicht in aller Tiefe bewerten kann, weil sein Hauptinstrument ja das Klavier war. Aber in der Kammermusik – die ja meine Domäne ist – und hier vor allem in der Behandlung des obligaten, also begleitenden Klaviers, hat er ein neues Kapitel in der Musikgeschichte aufgeschlagen. Da war er schon viel näher an Mozart und Beethoven dran als noch an der Barockmusik. Hinzu kommt eine gewisse Frühreife in seiner Kammermusik.

Was meinen Sie mit Frühreife?

Nehmen wir zum Beispiel die frühen Triosonaten, die auch einen Bezug zu Potsdam haben. 1731 noch in der väterlichen Stube komponiert und 1747 anlässlich der Eröffnung von Sanssouci für den König überarbeitet, besitzen sie eine unglaublich individuelle und sehr expressive und starke Sprache. Und was ihre Form, ihre Struktur betrifft, sind das wirklich überzeugende, also fertige Kompositionen, die nicht das Unfertige vieler Frühwerke haben.

Von seinen Zeitgenossen wurde Carl Philipp Emanuel als der „große Bach“ bezeichnet. Warum ist uns aber heute die Musik seines Vaters Johann Sebastian Bach so viel näher?

Ganz so einfach ist es ja nicht und über Geschmack lässt sich bekanntermaßen nicht streiten. Mancher wird jetzt sagen, dass es gar nicht so ist, dass uns die Musik von Johann Sebastian Bach heute näher ist als die seines Sohns. Andere werden wieder das Gegenteil behaupten. Aber im Gegensatz zu seinem Vater und auch im Gegensatz zur Wiener Klassik, zur Musik von Haydn, Mozart und Beethoven, hat die Musik von Carl Philipp Emanuel Bach nicht diese überzeitliche Sprache. Sie war einfach zeitgebundener. Trotzdem, und das wird oft in seiner Musik verkannt, ist sie so lebendig, so extrovertiert und einfach für das Konzert geschrieben.

In der vergangenen Woche haben Sie im Rahmen eines Festaktes zum 300. Geburtstag von Carl Philipp Emanuel Bach den Ehrenpreis der Brandenburgischen Bach-Gesellschaft in Potsdam erhalten. Was bedeutet Ihnen dieser Preis im Jubiläumsjahr von Carl Philipp Emanuel Bach?

Das ist eine wirklich überraschende Anerkennung gewesen. In erster Linie eine Anerkennung für meine Arbeit als Musiker und Organisator von Konzerten auch in Potsdam. Und dass ich diesen Preis in dem Jubiläumsjahr erhalten habe, spricht ja auch für eine Art Anerkennung meiner Potsdambejahung und den vergangenen 14 Jahren, in denen ich mich intensiv mit der Potsdamer Musikgeschichte auseinandergesetzt und geforscht habe.

Stand in dieser Zeit auch Carl Philipp Emanuel Bach auf Ihrem Programm?

Ja, gleich im ersten Konzert unseres Ensembles Cammermusik Potsdam im Jahr 2003 stand eine Streichersinfonie in A-Dur aus seinen Hamburger Streichersinfonien auf unserem Programm. Wir haben ihn immer wieder mal gespielt, aber nicht so intensiv, weil sein Hauptinstrument ja das Klavier war. Aber als ich damals nach Potsdam kam, hatte ich mich sofort auf die Suche nach einem „CPE Bach Verein“ gemacht und war sehr erstaunt, dass es den nicht gab und bis heute nicht gibt.

In diesem Zusammenhang ist es ja auch erstaunlich, dass sich Potsdam in diesem Jubiläumsjahr kaum mit Carl Philipp Emanuel Bach beschäftigt oder ihn gar angemessen würdigt.

Das große Friedrich-Jubiläum vor zwei Jahren, wo sich im Grunde ja fast jeder in irgendeiner Form eingebracht hat, war eine große Verausgabung. Ich glaube, das wirkt bis heute nach.

Fehlt vielleicht das Publikum?

Das Publikum lässt sich locken und ist auch bereit, sich auf etwas einzulassen. Man muss das nur wollen. Aber einfach ist das natürlich nicht.

Vor allem auch, was die Kammermusik betrifft. So haben Sie im vergangenen Jahre ihre Konzertreihe „Harmonia Mundi – Musica Coelestis“ eingestellt.

Es ist uns leider nicht gelungen, ein breites Publikum zu erreichen. Und irgendwann wird das finanzielle Risiko zu groß. Aber wir sind in diesem Jahr als Streichquartette Ende Mai und Ende November in Potsdam zu erleben. Und im kommenden Jahr wollen wir dann die gesamten Quartette von Beethoven spielen.

Das Gespräch führte Dirk Becker

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