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Kultur: Er starb nicht!

Tom Goeller stellte sein Friedrich-Buch vor

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Obwohl das große Jubiläum – der 300. Geburtstag im kommenden Jahr – noch gar nicht heran ist, fiebert es in Potsdam um den Herrn Friedrich Zwo ganz gewaltig. Hier ein Forum, dort eine Lesung, da ein Kommentarchen. Doch was bleibt? 300 Jahre geballte Forschung – und noch immer keine Gewissheit! Da macht auch Tom Goeller, Journalist und Historiker mit Schwerpunkt „Amerikanistik“, bei seinem Urania-Vortrag keine Ausnahme. Man hätte ja gleich stutzig werden können, wie viel allgemeines Wohlgefallen die Präsentation seines Buches über Friedrich als „Mensch, Monarch und Mythos“ am Dienstag im vollbesetzten Saal fand. Abgesehen von ein paar individuellen Fehlern zeichnet Goeller ein fast makelloses, sehr menschelndes Bild des Alten Knorren! Er versprach, die „Außensicht“ auf den König mitzuliefern, ermunterte, ihn, wie im Ausland üblich, „Le Grand“ statt mit der römischen Zwei zu benennen, damit man den Ärmsten – Oh, Scherz! – nur ja nicht mit dem gleichnamigen Stauffer verwechsle, was gerade hier ja dauernd passiert. Die Urania schrieb sogar von einem „neuen Licht“, von einer „Neuinterpretation“, indes sich der eloquente Autor schon mal über Potsdams despektierlichen „Friederisiko“-Slogan aufregte.

Nachdem Goeller die sprichwörtliche (statt pragmatische) Toleranz der Hohenzollern-Sippe seit dem Großen Kurfürsten ad hoc gepriesen hatte, schilderte er Friedrich Wilhelm I. als ganz fürchterlichen Wüterich, der es nicht nur darauf abgesehen habe, seinen Sohnematz durch Prügel und Schikanen vom Thron fernzuhalten, er wollte ihn sogar mehrfach und eigenhändig ermorden, durch eine Vorhangkordel beispielsweise! Der tapfere Filius aber hielt alles aus. „Er starb einfach nicht!“, so Goeller. Dass er nach dem Fluchtversuch nicht in Küstrin erschossen wurde, verdanke er allein dem deutschen Kaiser in Wien, der wider den Versager-Vater derart laut „Er ist mein!“ ausrief, bis es ganz Europa hörte. Friedrich Wilhelm I. war nun blamiert.

Nicht ohne Rührung erzählte Goeller dann, wie Fritzens Schwester Wilhelmine ihm „als starke Frau“ ein Leben lang die Hand gehalten habe. Zum Thema Ehe sagte er, der Kronprinz und seine gar nicht dumme – „nur ein gezieltes Gerücht“ – Gattin Elisabeth Christine seien, bis Rheinsberg etwa, ein glückliches und rundum lebenslustiges „Traumpaar“ gewesen. Erst seine Thronbesteigung 1740 habe das geändert: „An ihr lag es nicht, sie wollte!“ Ohnehin sei der Alte ohne den jungen Fritzen nicht zu verstehen, darauf bestand der Referent. Der Vater-Sohn-Konflikt war also nur ein Machtkampf um die eigene Meinung, die Poltik jener Zeit voller Intrigen und Gerüchte, wobei sich die Habsburger besonders übel hervorgetan haben sollen.

Dann wurde „unser Fritz“ als der modernste aller Kronenträger geschildert: Keine Wachen an den Toren, die hellsten Köpfe Europas in seiner Tafelrunde, im Krieg an der Spitze der Truppen, zu Hause für jeden ein Ohr – das müssen ja selige Zeiten gewesen sein! Und wenn es mal nicht so gut lief, waren die anderen schuld: mal die schlechte Kindheit, mal die Intrigen des Auslands, mal der intrigante Gockel Voltaire. So ist der Dreihundertste noch gar nicht ausgebrochen und schon will man uns einen echten Strahlemann erwecken, ohne jedes „Friederisiko“. Doch gemach, auch das wird der teure Tote überleben, er stirbt ja einfach nicht! Oh Mensch, oh König Unbekannt! Gerold Paul

Tom Goeller: Der Alte Fritz. Mensch. Monarch. Mythos, Hoffmann & Campe, Hamburg 2011, 21,99 Euro

Gerold Paul

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