Kultur: Er war Sänger und auch Schauspieler
Zum Tod von Helmut G. Fritzsch
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„Eigentlich wollte ich Schauspieler werden. Aber in Leipzig haben sie mich damals nicht genommen.“ Das war 1965. So lernte der am 16. März mit nur 65 Jahren verstorbene Sänger und Schauspieler Helmut G. Fritzsch – seit 1980 Mitglied des Ensembles des Hans Otto Theaters Potsdam – zunächst Maschinenbau in Plauen, seiner Heimatstadt. Nebenbei nahm er privaten Gesangsunterricht, denn den Traum von der Bühne hatte er nicht aufgegeben. Und dieser erfüllte sich auch bald am Plauener Theater, wo er im Chor sang und seine ersten Bühnenerfahrungen machte, auch schon solistische.
Von 1968 bis 1973 studierte Helmut G. Fritzsch dann Gesang an der Weimarer Musikhochschule. Nach dem Diplom nahm er ein Engagement an den Bühnen der Stadt Bernburg, dann am Meininger Theater an. Schon jetzt zeigte sich seine vielfältige Begabung, die er in so unterschiedlichen Partien und Genres unter Beweis stellen konnte – wie den Kaspar im „Freischütz“, den Reich in der „Lustigen Witwe“, den Conferenciere in „Cabaret“. Und mit 28 Jahren stand er in den „Lustigen Weibern von Windsor“ nicht nur als ein junger, sondern auch als ein sehr schlanker Falstaff auf der Bühne.
1980 folgte das Engagement an das Potsdamer Theater, das Helmut G. Fritzsch nicht ohne Skepsis antrat, denn er wusste nicht, ob es ihm in Potsdam, in diesen flachen Gefilden inmitten von Sand und Kiefern, gefallen würde. „Von meiner Heimatstadt Plauen im Vogtland war ich schließlich andere Aussichten gewohnt“, beschreibt Helmut G. Fritzsch damals seine Gefühle. Doch das „Fremdeln“ legte sich schnell. Die angebotenen Rollen und das leistungsstarke Ensemble forderten und förderten den jungen Bassisten in jeder Hinsicht. Anspruchsvolle Rollen wie der Coline in „La Bohéme“, der Kecal in der „Verkauften Braut“ und der Ramphis in „Aida“ bereicherten nun das Repertoire von Helmut G. Fritzsch.
Mit der Abwicklung des Musiktheaters 1998 kam dann das Aus für die Kollegen der Musiksparte. Man bot Helmut G. Fritzsch einen Vertrag als Inspizient, Sänger und Schauspieler an. Damit begann sozusagen die zweite Karriere – die des Schauspielers Helmut G. Fritzsch. Denn längst hatte man in den zahllosen Operettenrollen, in denen Helmut G. Fritzsch auch glänzte, dessen komödiantisches Talent entdeckt. Und so folgte denn Rolle auf Rolle, besonders unter der Intendanz von Uwe Erik Laufenberg – so der Heinrich in „Veronika beschließt zu sterben“, der Gefängnisdirektor in der „Fledermaus“, der Schnauz im „Sommernachtstraum“, der Sorin in der „Möwe“ und als Krönung all’ dieser Rollen der Gajew im „Kirschgarten“, wo er an der Seite von Angelica Domröse deren Bruder spielte.
Die Kritik, seine Kollegen und auch das Publikum bescheinigten Helmut G. Fritzsch immer wieder dessen erstaunliche Bühnenpräsenz und seine Präzision und Liebe zum schauspielerischen Detail, mit denen er seine Darstellungen oft zu wahren „Kabinettsstückchen“ machte.
Nicht die großen Rollen waren es, aber aus den kleinen Rollen machte er immer etwas besonderes, das im Gedächtnis haften blieb – getreu der alten Bühnenregel, dass „den König immer die anderen spielen“.
Wenn man sich an Helmut G. Fritzsch erinnert, dann auch an einen ausgesprochen angenehmen Kollegen, der bescheiden, uneitel, unaufgeregt und zuverlässig war, ob nun auf der Bühne oder hinter dem Inspizientenpult, wo er mit Umsicht und Ruhe, aber auch mit dem nötigen Schuss Humor – ohne den es nun mal in diesem Beruf nicht geht – die Fäden für das Zusammenspiel zwischen Kunst und Technik sicher in den Händen hielt.
Und auch das gehört zu Helmut G. Fritzsch: Die wenige Zeit, die dem Vielbeschäftigten blieb, nutzte er für Wanderungen in den Bergen, denen seine besondere Liebe galt, wie auch dem Filmen mit der eigenen Kamera, mit der er auch so manches lokale Ereignis wie den Neubau und Abriss des Theaters auf dem Alten Markt dokumentierte.
In den letzten Jahren ist es still um Helmut G. Fritzsch geworden. Die schönen Rollen, die ihm soviel Anerkennung und Befriedigung verschafften, blieben aus, stattdessen nur noch kleine Auftritte, so in der „Wildente“, dem „Don Juan“ und dem „Revisor“.
Im November 2010 dann die Krebsdiagnose. Ohne Aussicht auf Heilung lebte Helmut G. Fritzsch geduldig mit allen Einschränkungen, Chemotherapie und Operationen und unter der Fürsorge von Hans-Joachim Kokoscha – seinem langjährigen Lebensgefährten aus den Meininger Theaterzeiten – bis zum 16. März 2012. Michael Philipps
Michael Philipps
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