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Kultur: Erdbeersuche im Winterwald Symphonische Raritäten

im Nikolaisaal

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Gegen die dunkler werdenden Tage hilft nur eines: Licht. Das aus der Leitung ist schnell angeknipst. Schöner jedoch, es per Kerzenschein warm schimmern und leuchten zu sehen. Was böte sich in der Vorweihnachtszeit dazu besser an als ein sich immer üppiger im Lichte präsentierender Adventskranz?! Und dazu dann die passende Musik. In solche besinnlichen Klangwelten entführte das jüngste „Klassik am Sonntag“-Konzert im Nikolaisaal. Unter dem Titel „Es weihnachtet sehr!“ (wer hätte am 4. Advent anderes gedacht?!) gab es Weihnachtsrepertoire und -raritäten zu erleben, welches die Brandenburger Symphoniker unter Michael Helmraths souveräner Leitung sorgsam ausbreiteten.

Über den Luther-Choral „Vom Himmel hoch“ schrieb Opernkomponist Otto Nicolai anno 1833 eine festliche Weihnachtsouvertüre. Pauken und tiefe Streicher sorgen für feierlichen Klangweihrauch. Mit dem Eintritt der Geigen erhellt sich das Geschehen. Es entwickelt sich zu einer federnden, blechgepanzerten Marschmusik (der himmlischen Heerscharen?) bis endlich Flöten, Oboe und Klarinette den bekannten Choral intonieren: zuerst zögerlich, dann immer glaubensfester, schließlich hymnisch eingebettet in einen opulenten Orchestersound.

Da die Hirten auf dem Felde als erste die Weihnachtsbotschaft von den Engeln zu hören bekamen, eilten auch die Komponisten, entsprechende Hirtenmusiken (à la pastorale) zu schreiben. Johann Christian Cannabich (1731-1798), Mozartfreund und Kuppler zur Weberschen Familie, folgte mit seiner Sinfonia pastorale F-Dur dem Zug der Zeit. Herausgekommen ist ein kurzweiliges Genrestück, das von je zwei Oboen, Fagotten, Flöten und Hörnern geprägt wird. Gefällig hört sich diese Milieuschilderung an.

Ein wenig schwieriger wird es dann für Moderator Clemens Goldberg, den thematischen (Weihnachts-)Bogen zu Auszügen aus dem Orchesterkonzert „Der Zauberwald“ von Francesco Geminiani (1687-1762) zu finden. Er bemüht die Welt der Mythen und Märchen, die schließlich zu Weihnachten gefragt seien, um dann von der Zeit der Kreuzritter zu erzählen, in der die ursprüngliche Ballettmusik angesiedelt ist. Barockprächtig geht es in ihr zu, wobei kriegsmartialische Klangzutaten für gehörige Effekte sorgen. Ansonsten wird mit gefällig gespielten Affekten von Seufzern hin zu Rache nichts ausgelassen, was das kompositorische Barockkompendium so alles bereithält.

Schließlich finden wir uns doch noch im Märchenwald wieder, und zwar in jenem von Humperdincks „Hänsel und Gretel“. Warum sind deren Erlebnisse gerade zur Weihnachtszeit so gefragt, wo das Geschehen mit Erdbeersuche und freiluftiger Nächtigung der Geschwister kaum im Winter spielen kann? In den Wald gehen, meint der Moderator, sei die Suche nach Kindheit – wie zu Weihnachten. Diese Argumentation erinnert an jenen Witz-Professor, dessen Spezialität die Würmer waren. Die Prüfungsstudenten hatten sich darauf vorbereitet. Als der Professor sie mit der unerwarteten Frage nach Elefanten hereinlegen wollte, antwortete ein Schlaumeier mit dem Verweis auf des Grautiers Rüssel, der wie ein Wurm aussähe... Goldbergs Erklärungsversuch, die Märchenoper appelliere an Tiefenschichten der Seele und sei insofern ein Weihnachtsstück, erweist sich als kaum tauglich, das „Hänsel & Gretel“-Phänomen zu erklären.

Nachdem die Ouvertüre, von den Brandenburgern bei aller romantischen Gefühlsdichte beachtlich schlank und entschlackt gespielt, verklungen ist, leitet der „Hexenritt“ das 2. Bild ein. In dem singen Gabriela Scherer mit Mezzofülle den Hänsel, Katia Bentz mit reifer Sopranstimme die Gretel, Keiko Takayama mit klarer Koloraturstimme das bedächtige Sandmännchen. Stimmungsvoll erklingt der „Abendsegen“, forteknackig die sinfonisch ausufernde „Pantomime“. Die Imagination des Märchenwaldes will sich bei der konzertanten Wiedergabe jedoch nicht einstellen.

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