Klavierpoesie im Raffaelsaal der Orangerie: Erdiger Klang und Raffinement
Eigentlich will der russische Pianist Juri Martynow für seinen Klavierabend „Die Gärten der Villa d'Este“ am vergangenen Donnerstag im Raffaelsaal der Orangerie Sanssouci einen Flügel der bekannten französischen Klavierbaufirma Erard aus dem Jahre 1904 spielen. Wegen eines Problems mit dem Pedal liefert die „Sammlung Piano Salon Christophori“ aus Berlin als Ersatz ein nicht weniger historisches Spielgerät: ein Pianoforte der Braunschweiger Firma „Grotrian, Steinweg Nachf.
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Eigentlich will der russische Pianist Juri Martynow für seinen Klavierabend „Die Gärten der Villa d'Este“ am vergangenen Donnerstag im Raffaelsaal der Orangerie Sanssouci einen Flügel der bekannten französischen Klavierbaufirma Erard aus dem Jahre 1904 spielen. Wegen eines Problems mit dem Pedal liefert die „Sammlung Piano Salon Christophori“ aus Berlin als Ersatz ein nicht weniger historisches Spielgerät: ein Pianoforte der Braunschweiger Firma „Grotrian, Steinweg Nachf.“ von 1910. Und das ist für den Klavierabend ein Glücksfall. Bereits bei Robert Schumanns klangbuntem „Blumenstück“ werden die klanglichen Vorzüge des Flügels deutlich. Für die sich girlandenartig ineinander verschlingenden Stimmungen ist der gedeckte, ein wenig verhangen wirkende Grundklang genau passend. Er wirkt irgendwie erdig und vollmundig, in allen Lagen ausgeglichen und zeigt sich vom Klang her sehr präsent, ohne vordergründig-brillant wie ein Steinway-Flügel zu tönen.
Nicht weniger uneitel und sehr konzentriert durchforscht Juri Martynow die Klangwelten eines Franz Liszt. Geradezu impressionistisch geht es in der Klavierlegende „Der Heilige Franziskus von Assisi predigt den Vögeln“ zu, wo des chaotischen Tirilierens im Diskant fast kein Ende scheint. Nachdem das Zwitschervolk allmählich verstummt, meldet sich per linker Hand in der Bassregion der Heilige zu Wort: erst nachdenklich, dann braust es doppelgriffig und dramatisch auf der Tastatur. Da ist auch beim Publikum das Staunen groß, mit welchem dynamischen Raffinement der Pianist zu gestalten versteht. Immer ist sein Anschlag leicht und nuanciert. Weicher und Wärmer wird der Klang bei den sich nahtlos anschließenden Betrachtungen der „Zypressen der Villa d'Este“, einem Landgut in Tivoli bei Rom, wo Liszt zeitweise lebt und sich von der Ausstrahlung uralter Bäume zu meditativen Betrachtungen über Vergänglichkeit anregen lässt. Attacca folgen die „Wasserspiele der Villa d'Este“ mit viel Spielgefühl für glitzernde Klangkaskaden.
Auch für die „Jeux d'eau“ (Wasserspiele) von Maurice Ravel kommt Martynow ohne kraftmeiernde Attitüde aus. Konturenklar sind seine Töne geformt, sodass sich das Fließende und Rauschende facettenreich entfalten kann. Ihr zart getöntes, poesievolles und klangmodellierende Spiel breitet die „Suite Bergamasque“ von Claude Debussy farbenschillernd, doch ohne verschwimmendes Weichzeichnen aus. Doch dadurch verliert etwa der klangsilbrig leuchtende Mondschein („Clair de lune“) nichts von seiner hinreißenden Wirkung. Kapriziös tanzt das Menuett vorüber, ausgelassen ein Passepied genannter französischer Rundtanz aus der Bretagne. Ähnlich faszinierend malt der russische Pianist Debussys Stimmungsbilder („Estampes“). „Gärten im Regen“ bezaubern mit einem Gewitterguss per virtuoser Toccata. Womit sich das Festspiele-Motto auch auf den Tasten widerspiegelt. Viel Beifall und eine Chopin-Zugabe. Peter Buske
Peter Buske
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