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Kultur: Erfahren, was die Leute wollen

Klaus Büstrin

Klaus Büstrin Mehrmals schon sollte das Hans Otto Theater ein neues Haus erhalten. Aber immer wieder wurde ein Neubau verschoben, kurz nach der Wende der Rohbau des Theaters sogar abgerissen, weil dieser „am falschen Platz“ stand. Am 22. September 2006 ist es soweit: Am Havelufer in der Schiffbauergasse wird sich der Vorhang im neuen Haus öffnen. In unserer Serie wollen wir an die vergangenen Jahrzehnte des Theaters erinnern, an Künstler auf der Bühne, dahinter und davor, an Schauspiel- und Musiktheaterereignisse, an Episoden aus dem Theaterleben Potsdams. HEUTE: Zuschauergespräche Im Programm zu dem längst vergessenen Theaterstück „Der Querkopf“ von Hans Otto Kilz, das in der Spielzeit 1954/55 im Theater in der Zimmerstraße seine Uraufführung erlebte, entdecke ich einen vergilbten Zettel. Es sind die Mitteilungen Nr. 1/55 des Theaters: „Wir notieren für Sie“. Man informiert darauf, dass 10927 Besucher einen „Vertrag über den regelmäßigen und verbilligten Besuch der Vorstellungen abgeschlossen“ haben. Wenn man „die 15529 ständigen Besucher aus den 38 Orten unseres Tournee-Bereiches hinzuzählt, ergibt sich die stattliche Zahl von 26456 Vertragspartnern“. Man erfährt auch, dass 330 Vorstellungen in Potsdam und 580 in den Tournee-Orten in der Prignitz oder im Fläming stattfanden. Außerdem wurde mitgeteilt, dass die erste Zuschauerkonferenz von 1955 am 16. Januar im Haus der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft (heute Logenhaus) stattfand. Während dieser Veranstaltung wurden erste Gedanken zu Spielplanentwürfen geäußert. Die Intendanten haben sich immer wieder aufgemacht, der eine mehr, der andere weniger, um mit dem Publikum ins Gespräch zu kommen, jeder in ganz unterschiedlicher Weise. Der legendäre Theaterchef Gerhard Meyer war auch in dieser Hinsicht besonders fleißig. Eines Tages lud er zu einem Zuschauergespräch in das einstige Kulturhaus „Karl Liebknecht“ (Alter Krug) in Bornstedt ein. Der Raum war gut gefüllt mit Theaterfreunden. Er plauderte in seiner charmanten Art über das Leben auf und mit den „Brettern, die die Welt bedeuten“, über Vorhaben und darüber, wie man noch mehr Menschen für Theateraufführungen gewinnen könnte. Ein Besucher machte den Vorschlag, Aufführungen vor Ort, also im Bornstedter Kulturhaus, anzubieten. Gerhard Meyer versprach, darüber nachzudenken. Es dauerte nicht lange, da wurde ein Konzert angekündigt. Der Theaterchor sang dort unter der Leitung von Erich Lehnig beliebte Opernchöre. Viele Bornstedter ließen sich anscheinend gern einladen, denn sie kamen in Scharen. Dann gab es noch eine Vorstellung für Schüler. Man spielte das ideologisch sehr eindeutige Stück „Der Weg ins Leben“ des sowjetischen Autors Stehlik. Rund um die Zuschauerreihen postierten sich Lehrer, um alle Kinder gut im Blick zu haben, denn wer sich muckste, wurde vor der Klasse verwarnt. Das Theater kam danach nicht mehr nach Bornstedt. Man musste sich selbst auf den Weg in die Zimmerstraße machen.

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