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Kultur: Erfolgreiche Amouren

Konzert der Kammerakademie mit Antje Weithaas und Sergio Azzolini

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Um einst einen Fernseher oder fahrbaren Untersatz erwerben zu können, musste man sich in eine Warteliste eintragen. Diese Zeiten sind vorbei. Nicht, als es um den Kauf einer Karte für ein Konzert mit der Kammerakademie Potsdam im Nikolaisaal geht, das die Musiker gemeinsam mit Geigenstar Antje Weithaas am Sonnabend als 7. Sinfoniekonzert der Nikolaisaal-Reihe bestritten. Es hat sich längst herumgesprochen, dass Potsdam mit ihrer klangfeinen Akademie über ein weiteres kulturelles Pfund verfügt, mit dem sich vortrefflich wuchern lässt. Nach Art des Hauses hatte Antje Weithaas, in dieser Saison als „Artist in Residence“ der Kammerakademie verbunden, das reizvolle Programm nicht nur einstudiert, sondern leitete es als Konzertmeisterin.

Eingangs erklingt die Sinfonie Nr. 22 Es-Dur „Der Philosoph“ von Joseph Haydn – genau der richtige Einstieg. Gravitätisch schreitet der Denker zur Begleitung von je zwei Englischhörnern und Waldhörnern einher. Grüblerisch ist sein Ausdruck. Die Last der Welt scheint auf ihm zu liegen. Dagegen zeigt sich der Geigenklang von seiner weich getönten Seite. Leicht und luftig wird musiziert. In den folgenden drei Sätzen quirlt, jauchzt und lockt es nach Herzenslust. Kurzum: durch das unterhaltsame Werk bläst ein frischer Wind. Auf historische Spielmanieren (Bogenführung, sparsamer Vibratogebrauch) ist dabei besonders geachtet.

Transparente Klangvorstellungen bestimmen auch die Wiedergabe von Mozarts 5. Violinkonzert A-Dur KV 219, bei dem das Konzertieren einem erotischen Abenteuer gleicht. Einschmeichelnd hebt Antje Weithaas zum verführerischen Geigen-„Gesang“ an, der alsbald in die Leidenschaft umschlägt. Klar, detailreich und intensiv ist ihr Ton, überzeugend die Phrasierung, die dem Flirten einer Liebhaberin um die Gunst der Galane gleicht. Energisch und erfolgreich geht sie zu Werke. Im zweiten Satz haben die Amouren zum Erfolg geführt, und so wird hingebungsvoll musiziert. Glückseliges Empfinden breitet sich aus – nicht auftrumpfend oder voluminös, sondern fein abgestuft, von einem Hauch leichter Distanziertheit und Kühle umgeben. Im Rondeau führt Antje Weithaas eine sich eheglücklich Wohlfühlende vor: selbstbewusst, stolz und ausgelassen – getreu des „Fair Lady“-Mottos „Ich hätt“ getanzt heut“ Nacht“.

Ähnliche Absichten verfolgt auch Sergio Azzolini auf seinem ausdrucksintensiv klingenden Fagott in Heitor Villa-Lobos“ „Ciranda das sete notas“, einem vergnüglichen Fantasiespiel um sieben Noten. Bei der Begleitung wiegen sich die stehend musizierenden Kammerakademisten wie Rohr im Wind. Azzolini singt einen schmachtenden Liebesgesang, der einem räkelnden Debussy-Faun nicht unähnlich ist. Ein apartes, großartig gestaltetes Stimmungsstück zwischen klagend und lüstern. Danach folgt das große Rätselraten: wer wird welchen zeitgenössischen Beitrag für den Überraschungsprogrammpunkt „unerhört?gehört!“ spielen? Kurzfristig entschied man sich für zwei Sätze aus einem Duo von Niccoló Paganini, der sicherlich kein Avantgardist sein dürfte, jedoch den beiden Solisten des Abends die Möglichkeit gab, ihr virtuoses Können gemeinsam vorzuzeigen – in einem getragenen Zwiegesang, der in seinen tonsetzerischen Konstellationen an Szenen einer Ehe erinnert.

Stürmisch geht es zum Schluss zu: mit der Streichorchesterfassung von Felix Mendelssohn Bartholdys B-Dur-Streichquintett, das bei der letzten „Stunde der Musik“ in seiner Originalgestalt erklang. Nun also das klangfülligere, schwungvoll und in drängender Intensität ausgebreitete Pendant. Auch diesmal wieder gibt Antje Weithaas dem überaus reich dynamisierten Spiel Richtung und Ziel vor. Traumwandlerisch sicher spielt man zusammen: wohlig sich wiegend im Andante; geheimnisvoll, raunend und unruhevoll im Adagio; tänzerisch beschwingt im Allegro, einem furiosen Kehraus. Der Beifall steht dem in nichts nach.

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