Kultur: Erfrischend lebendige Hommage an Bach
Der Nikolaisaal Potsdam beging den 330. Geburtstag von Johann Sebastian Bach mit einem Klangfest
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Man soll die Feste feiern, wie sie fallen. Auch wenn es „nur“ ein 330. Geburtstag ist. Aber bei Johann Sebastian Bach ist sowieso alles anders. Ihm müsste man eigentlich jeden Tag huldigen. Auf jeden Fall aber an jenem 21. März, als er anno 1685 in Eisenach geboren wurde. Bis heute hat er, summa cum laude, nichts von seiner musikalischen Bedeutung eingebüßt. Zur Gratulation lud am Samstag auch die Kammerakademie Potsdam ein, die unter Leitung von Antonello Manacorda im ausverkauften Nikolaisaal ihre klingenden Präsente dem erwartungsfrohen Publikum zu Gehör brachte. Anfang und Ende bilden zwei Orchestersuiten, auch Ouvertüren genannt.
Voller Verve stürzen sich die Musiker sogleich in die Suite Nr. 1 C-Dur BWV 1066, gespielt auf modernem Instrumentarium, ohne historisch informierte Tüfteleien über den „richtigen“ Klang für Bach. Und führen also gut gelaunt und frohgemut, sehr intensiv und transparent, tempozügig und akkurat akzentuiert einen quicklebendigen Altvorderen vor.
Den vielfältigen kontrapunktischen Einfällen, Verflechtungen und harmonischen Entwicklungen kommen sie mit analytischem Scharfsinn auf die Spur, lassen die Musik atmen und nach ihrem Willen pulsieren. Rhythmisch federnd geht es zu. Mit glasklarer Diktion und Intonation erzeugen sie eine geradezu subversive innere Spannung. Nach dieser wortwörtlich zu verstehenden Ouvertüre geht es auch bei den nachfolgenden Tanzsätzen sehr abwechslungsreich zu. Behaglich und nachdenklich erscheint die Courante, während der pointiert phrasierten Bourée I ein vorzüglich geblasenes Holzbläsertrio (Fagott und zwei Oboen) nachfolgt. Von solchen reizvollen Farbkontrasten und enorm abgestufter Dynamik lebt auch die Suite Nr. 4 D-Dur BWV 1069, von den Musikern in ein klangpompöses Klanggewand gehüllt. Drei Trompeten schmettern strahlend um die Wette und die (Barock-)Pauke knallt mit knochentrockenen Attacken gleich Kanonenschlägen immer wieder vorlaut dazwischen. Muss das sein? Ansonsten ist jubelfeierlicher Festlichkeit, passend zum 330., breiter Raum gegeben.
Als Geburtstagsgratulantin mit dabei die renommierte, in Potsdam lebende Geigerin Antje Weithaas, die mit ihrer außergewöhnlich packenden Wiedergabe von Bachs beiden Violinkonzerten für Überraschungen der besonderen Art sorgt. Einerseits damit, dass sie das a-Moll-Konzert BWV 1041 zum ersten Mal spielt, andererseits mit einer gestalterischen Intensität sondergleichen, die einen das Opus wie neu erleben lässt.
Mit drängendem, von Leidenschaft durchlebtem Impetus, blitzsauberem Ton und faszinierender musikalischer Intelligenz fügt sich die Solistin dem Ensemble als eine perfekte kammermusikalische Partnerin ein, was zu einem überaus spannenden Wettstreiten zwischen orchestralen Abschnitten und Soloepisoden führt. Äußerst gefühlsintensiv singt sie das schmerzvoll-innige Andante aus.
Dem glanzvoll bestandenen Stückdebüt folgt die nicht weniger energiegeladene, gleichfalls vom körperlichen Aufgehen in der Musik bestimmte Lesart des E-Dur-Konzerts BWV 1042. Da paaren sich Schwung, Esprit und virtuoses Vergnügen mit seufzerreicher Kantilene. Hinreißend. Für den Bravojubel bedanken sich die Solistin und der nach elf Jahren wieder öffentlich zur Geige greifende Dirigent mit einem witzigen Duo von Béla Bartók. Ach, wenn man doch jeden Tag Bach feiern könnte. Peter Buske
Peter Buske
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