Kultur: Erfrischend unsentimental
Sonderkonzert der Kammerakademie im IHK-Saal
Stand:
Sonderkonzert der Kammerakademie im IHK-Saal Was Mozart und Rolls-Royce verbindet? Beide mögen sie magische 440 Hertz. Der eine als Kammerton A, die anderen das Geräusch beim Anlassen von Triebwerken. Dieser gemeinsame Nenner fand sich auch beim Sonderkonzert anlässlich der Kulturhauptstadt-Bewerbung Potsdams, zu dem die Industrie- und Handelskammer (IHK) Potsdam, die Kammerakademie Potsdam und Rolls-Royce Deutschland in den modernen IHK-Saal geladen hatten. Es sei ein ungewöhnlicher Abend für die Wirtschaft, sagte IHK-Präsident Dr.-Ing. Victor Stimming, und diese aufgefordert, sich beim Erstreben des Titels als Kulturhauptstadt Europas im Jahre 2010 mit zu engagieren. „Kultur gibt es in vielen Formen, wir haben uns für die Musik entschieden.“ Zumal es mit Prof. Dr. Daniel Lipton, amtierender Generalmusikdirektor des kanadischen Opernhauses Ontario und Verächter der gleichnamigen Tee-Produkte, einen Dirigenten gäbe, der inzwischen in Potsdam wohne – wenngleich wegen seiner vielen Verpflichtungen nur selten anwesend sei. Von diesem und der Kammerakademie sei Mozart sicherlich nicht zufällig ausgewählt worden, mutmaßte der IHK-Präsident. Er begründete dies mit des Komponisten Besuch in Potsdam. Und wärmte die Legende wieder auf, Mozart habe Am Bassin 10 logiert. Dort wohnte, keinesfalls als dessen Gastgeber, der Hornist Carl Türrschmidt. Auch Stimmings Behauptung, Mozart sei für mehr als einen Monat in der Stadt gewesen (tatsächlich handelte es sich um 12 Tage), darf man getrost in das Reich der Fama verweisen. Ein kunstsinniger Präsident sollte bei Verkündigungen dieser Art deren Richtigkeit vorher überprüfen. Doch nun zur herzigen Verbindung von Mozart und Rolls-Royce. Hochtourigen Triebwerksgeräuschen glich tatsächlich, wie unter Liptons analytischer Sicht und strammer Leitung des Meisters Serenade „Eine kleine Nachtmusik“ KV 525 sehr forsch und leider wenig graziös erklang. Die Kammerakademie spielte hier in kleiner Besetzung außerordentlich sauber und transparent, erfrischend und unsentimental auf. Die Akustik zeigte sich von einer durchaus akzeptablen Seite, die auf Klarheit ausgerichtet ist – wenn man leise spielt. In der g-Moll-Sinfonie KV 550 tat man es nicht und so geriet vieles zu laut und scheppernd. Es wollte trotz heftigen Bemühens kein homogener Klang entstehen. Bei diesem direkten, bisweilen vordergründigen Musizieren drängte das Horn hervor, störte auch der Widerhall der anderen Bläser erheblich. Es schien, als orientierte der Dirigent auf eine stromlinienförmige, vordergründige Brillanz. Bei aller Detailverliebtheit, straffen Artikulation und hellgetönten Moll-Klage: Wo sollte da Mozart ins Grübeln kommen, wo in düsteres Aufbegehren? Etwas mehr Tiefgründigkeit hätte nicht geschadet. Dass er nicht nur Bach-Choräle vortrefflich zu spielen, sondern auch den Weillschen Songstil reizvoll zu treffen versteht, bewies Nikolaikirchenkantor Björn O. Wiede bei der Begleitung der Sängerin Stefanie Wüst. Aus ihrem Album mit Brecht/Weill-Stücken trug sie kaum einen Hit vor (den gab es mit dem „Lied der Seeräuberjenny“ erst als Zugabe). Sie sang richtig „rund“, nicht wie eine Diseuse. Was zur Folge hatte, dass der Song „Zu Potsdam Unter den Eichen“ brav und ohne Biss wirkte. Ob Musical-Melodie (aus „Lady in the dark“) oder das Lied von der Sehnsucht „Yukali“ – hier musste sie sich nicht entscheiden zwischen Gesang und Deklamation, hier konnte sie – mit ausladenden Tönen – ganz sie selber sein. Peter Buske
Peter Buske
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: