Kultur: „Ergib Dich, Titelheld!“
Donnerstag war Premiere von „Macbeth tötet den Schlaf“, gespielt von HFF-Studenten
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Donnerstag war Premiere von „Macbeth tötet den Schlaf“, gespielt von HFF-Studenten Von Gerold Paul War die Prophezeiung der Heidehexen schuld oder „nur“ Ehrgeiz der blutigen Lady, dass alles so kommen musste im brutalsten Drama von Shakespeare? Die Studioinszenierung des 3. Jahrganges Schauspiel an der Hochshcule für Film und Fernsehen (HFF) „Macbeth tötet den Schlaf“ (in Kooperation mit HOT und T-Werk) antwortete am Donnerstag auf diese Frage zwar nicht, aber Gastregisseur Jan Jochymski ließ sie seine neun Akteure wenigstens stellen. Er hat aus dem englischen Original eine nicht weniger originelle Spielfassung geformt, für das 95-minütige Spiel einiges weggelassen, anderes hinzugefügt, bis eine Adaption entstand, die heutiger kaum sein kann. Moderne Schottenröcke (ohne Karo-Muster) und feine Golfmützen cha-rakterisiert die Personage als High Society jenseits von Edinburgh, wo die Feldherren Macbeth und Banquo gerade für ihren König Duncan (Sebastian Stielke) siegreich gekämpft. Nach dem Orakel soll ihnen und ihren Nachkommen ebenfalls royale Würde werden. So geschieht es. Getrieben von weiblichem „Ehrgeiz“, rotten sie Duncans Sippe fast aus. Nur sein Sohn Malcolm (Vincent Doddema) kann entkommen. Gespielt wurde auf offener und fast leerer Bühne (Anne Riemann). Eine weißbezogene Couch, wenige Stühle mit Rollen sowie ein stilisiertes Agavengewächs bilden die Ausstattung. Das Spielfeld selbst wird von einem roten Umgang quadratisch markiert, genau in der Mitte ein Kreis. Man befindet sich gleichsam im Zentrum der Macht, dargestellt in Form eines hypermodernen Wolkenkratzers mit ebenso vielen Etagen über der Erde wie darunter. Ein smarter Hotelboy (Vincent Doddema) ruft sie in Schwyzzer-Deutsch aus. Der Kreis ist der Lift, die Agave zugleich Weihnachtsbaum, womit die Zeit fixiert ist. Unter ihm wird die Sippe von Macduff (Sebastian Stielke) in einer furchtbaren Szene gemeuchelt, sein Weib (Jana Klinge) und – hier – Tochter Heidi (Nina Machalz). Der brave Lennox (Dirk Talaga) schaut einfach weg. Dieser Aufzug ist auch der letzte Fluchtpunkt von Macbeth, nachdem seine Lady ob starker Gewissensbisse Selbstmord beging, und eben Macduff ruft ihm hier die geflügelten Worte entgegen „Ergib dich, Titelheld!“. Der Bösewicht ist da nur einer (Robert Gwisdeck), sonst aber hat die Regie das blutige Pärchen verdoppelt, auch Florian Hertweck ist ein Macbeth, und wie zu M1 Johanna Geisler gehörte, so zu M2 Nicole Reitzenstein. Hübsche Idee: Wenn die erste Garnitur sich küsst oder begattet, folgt die zweite stante pede nach, stirbt der eine in diesem „Gesellschafts-Spiel“ so fällt auch der zweite vom Stuhl, sogar außerhalb der Szene. Nicht wegen der elektronischen Kriegsführung zu Anfang und dem häufigen Handy-Gebrauch wirkt diese Inszenierung frisch und modern. Vielmehr hat die Regie hier episches Theater mit Schauwert geschaffen, was den Darstellern szenische Ausstiege ermöglicht, aber auch eigene Kommentare (Lady Macbeth’s Ehrgeiz glauben sie nicht) und korrigierende Rufe zum schottischen Bühnengeschehen. Alles wirkt zum Uz des Publikums lax und lässig, der Nachteil: Eine wirkliche Vertiefung der Charaktere ist so nicht möglich. Auch episches Theater hat offenbar Grenzen. Dafür gibt es, nach getanem Werk, ein witziges „Beziehungsgespräch“ der Viererbande, die theatralische Auswertung des Gespielten auf offener Szene, viele Ideen mit Aussagewert, welche das Lebensgefühl der Jugend genau treffen und im Sinne von Brecht mächtig „Vergnügen“ bereiten. Toller Ensemblegeist in dieser Truppe auf Zeit, mithin ein Trost wider das originale „Trauerspiel der Gewissensbetäubung“. Hier herrscht das Weib des Bösen, hier wirken die unreifen Figuren (Malcolm, Fleance) frischer als die Erwachsenen. Kurz, was Schiller „Fluch der bösen Tat“ nannte, hat Jochymski zu einem bedrängenden Spiel inszeniert, worin es der Macht nur noch darum geht, die Zeit totzuschlagen. Nächste an der HFF, Marlene-Dietrich-Allee 11 heute (Sa) 20 Uhr, weitere am 21. u. 22. Januar im T-Werk
Gerold Paul
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