Von Peter Buske: Ergreifend eindringlich
Konzert zum Totensonntag in der Friedenskirche
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Kein Gefühl der Todesangst wolle er in seinem Requiem op. 48 ausdrücken, bekannte der Komponist Gabriel Fauré (1845-1924). Es sei eher „ein Wiegenlied des Todes“, drücke die Sehnsucht nach dem Jenseits aus und „besitzt den sanften Charakter, den ich auch habe.“ Und der gebot ihm den völligen Verzicht auf theatralische Wirkungen, beispielsweise die Vertonung des „Dies irae“-Abschnitts, jener Beschwörung der Schrecknisse des Jüngsten Gerichts, die Tonsetzer zu mancherlei kompositorischen Effekten verführen können. Fauré setzt dagegen auf elegische Klänge.
Am Vorabend von Totensonntag erklang das melodienselige Opus in der voll besetzten Friedenskirche im Rahmen der „Vocalise“-Wochen mit dem Potsdamer Oratorienchor, Mitgliedern des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt unter Leitung von KMD Matthias Jacob.
Das Programm setzte dabei drei Werke in einen spannenden dialogischen Bezug: den vertonten 42.Psalm „Wie der Hirsch schreit nach Wasser“ des protestantisch getauften Juden Felix Mendelssohn Bartholdy mit dem „In Paradiso“-Orgelstück von Charles Tournemire (1870-1939) und dem Requiem von Fauré – letztere französische Katholiken und der Liturgie auf besondere Weise verpflichtet.
Weich und sanft stimmt der Oratorienchor den Requiem-Introitus an, von düsteren Posaunenklängen begleitet. Die Stimmung ist vorgezeichnet, auch wenn die nachfolgende Bitte um ewige Ruhe relativ freundlich ausfällt. Durch das vorzügliche Zusammenwirken von Musikern und Sängern verbreitet sich eine ergreifende Eindringlichkeit, selbst wenn das „erhöre mein Gebet“ fast schon fordernde Züge annimmt. Will heißen: Matthias Jacob sucht möglicher Kuschelwirkung durch leidenschaftliche Akzente zu begegnen.
Es gibt viel Wohlklang zwischen Pianissimo-Innigkeit und machtvollen Unisono-Passagen zu hören. Zart und weich, harfenumspielt, fast verspielt ertönt das „Sanctus“, wobei vor allem die Soprane und Alte strahlendes Leuchten zu erzeugen verstehen.
Das „Agnus Dei“ wird in satten Farben klanggemalt, das „Libera me“ kräftig und intensiv gespielt, während das finale „In Paradisum“ in ätherischen Regionen sanft entschwebt. Als lyrischer Bariton ist Mario Hoff für die Solo-Einwürfe bestens geeignet: seine Stimme hat Sitz und markantes Format, sie strömt ausgeglichen und mühelos dahin. Und: er weiß, wovon er singt. Daran mangelt es bisweilen Catherine Cangiano, deren etwas metallischer Sopran im verinnerlichten „Pie Jesu“ einem orgelähnlichen Schwellwerk gleicht.
Für die orgeloriginalen Zutaten in David Schollmeyer zuständig. Für sein Solo des meditativ-dissonanten zweiten Satzes aus „Sieben Choralpoeme“ von Tournemire verwendet er Tremulant, reichlich Zungenstimmen. Aus anfänglicher fiebriger Unruhe mündet das Geschehen in das Gefühl fast überirdischer ewiger Ruhe, die mit dem Fauré-Finale wunderbar korrespondiert. Am Beginn des „Vocalisen“-Konzerts steht mit der Mendelssohnschen Psalm-Vertonung „Wie der Hirsch“ ein durchweg romantisch-leidenschaftliches Bekenntnis einer nach Gott dürstenden Seele.
Bereits im Eingangschor verschmelzen alle Stimmgruppen vollmundig miteinander. Später stimmschwächeln die Männer leider. Doch auch die Sopranistin offenbart mit starkem Vibrato und audrucksgestaltender Abstinenz manchen Konditionsmangel. Dagegen erweist sich Mario Hoff im gemeinsam gesungenen Postulat „Harre auf Gott“ als Stimmfels in der Klangbrandung. Die besungene Betrübnis der Seele löst sich nach kurzer Besinnungspause in erlösenden Beifall.
Peter Buske
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