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Kultur: Ermittlungen mit Integrationscharakter

Eine Lesung von Potsdam-Krimis im Literaturladen Wist

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Ermittlungen im Literaturladen. Doch wenn jemand am Samstag Abend nervös wurde, dann höchstens die acht Debütanten, die ihre Kommissare zum ersten Mal vor großem Publikum ermitteln ließen. Die Fälle stammen aus der wohl ersten Kollektion von Potsdamer Stadtkrimis mit dem anspielungsreichen Titel „Potsdamer Umkommen“, die – gerade erschienen – mit dieser Lesung vorgestellt wurde. Zwischen den Buchdeckeln, die allein schon durch das makabre Titelbild des Potsdamer Künstlers Bernd Chmura hervorstechen, steckt eine Menge Arbeit, nicht nur kriminalistische.

Damit die Kommissare Rupert Sachtwein, Jupp Engel oder Melanchton Ostermeier, genannt „Hase“, am Ende den Täter so zweifelsfrei wie überzeugend überführen konnten, wurden die Hobby-Autoren von Hanne Landbeck und ihrer Schreibschule zunächst in die Krimikunst eingeführt. Drei Monate lang war ihr „Schreibwerk“ jeden Freitag offen für ihre Nachwuchskriminologen. Das Ergebnis auf 260 Seiten kann sich sehen und hören lassen.

Das Buch-Projekt, gefördert vom Kulturamt und einer ganzen Reihe der unterschiedlichsten Sponsoren von Wolfgang Cornelius und seiner AG-City bis zum Waldschloss hat Integrationscharakter. Potsdamer ersch(l)ießen sich ihre Stadt, könnte man kalauern. Wo wird gemordet und warum? Der Potsdam-Krimi kann auch tiefenpsychologisch einige sachdienliche Hinweise liefern. Es liegt also eine gewisse Spannung in der Luft, suchen die Krimi-Anfänger doch den letzten Beweis, ob ihre Mordfälle auch den Zuhörern unter die Haut gehen.

Cornelia Dörries, als Fachbuchautorin und Herausgeberin im Bereich Architektur vorgestellt, die bei Wist den schweren Anfangspart übernahm, spart jedenfalls nicht an blutigen Details. Die Fliege, die unschuldig eine mit Larven übersäte Leiche im Neuen Garten umkreist, montiert sie souverän an die nächste Szene, den geöffneten Mund ihres Kommissars beim Zahnarzt.

Auch bei der Bankkauffrau und Fremdsprachenassistentin Anna Garden spielt die Spurensicherung und Kriminaltechnik eine wichtige Rolle. Insgesamt zeigt sich wohl der Einfluss einschlägiger TV-Formate aus den USA als großer Lehrmeister. Die Diplom-Psychologin Andrea Noeske siedelt ihren schaurigen Fall, den der ewig Rad fahrende Kommissar Smolinski zu lösen hat, gar völlig in der Potsdamer Gerichtsmedizin an.

Die Motive für die Taten können durchaus als Potsdam typisch gelten. Interessant, dass gleich in mehreren Geschichten Immobilien und ihre Makler verwickelt werden. Constanze Henning bindet geschickt halb vergessene Stadtgeschichte in ihren deutsch-deutschen Plot ein, indem das Kaiserin-Augusta-Stift im „verbotenen Städtchen“ zum Tatort wird.

Bemerkenswert, dass die beiden lesenden Männer weniger von Mordlust beflügelt schienen. Weder Sascha Jasinski noch dem Ruheständler Hans-Jürgen Parschau wurden von besonderer Blutgier angefacht. Jasinski liefert mit seinem Muttersöhnchen Horst, ordnungsverliebt und ziemlich wahnsinnig, den klassischen Fall eines Stalkers. Dessen Opfer, die arme Wiebke, flüchtet vor dem von der Stimme seiner Mutter Besessenen aus dem Nobelfranzosen in der Jägerstraße – und hat letztlich doch enormes Glück.

Parschau bringt seinen Egon durch seinen sehr angenehmen Vortrag zu großer Lebendigkeit. Gerade aus der Haft entlassen, will dieser endlich die Beute seines Raubes genießen. „Das Loch“, so der Titel seiner Geschichte, verhindert jedoch den ungerechtfertigten Lohn. Und bei Ursula Sinemus muss es der Alte Fritz sein, der die Ermittler nervt.

Sicher, die Autoren haben schon ein paar Klischees bedient. So den geschiedenen, bärbeißigen Kommissar, der zwischen Umzugskarton lebt, aber sein Herz am rechten Fleck trägt. Die Stadt Potsdam selbst ist mit ihren markantesten Adressen vertreten. Das Verbrechen kann an Sanssouci und den anderen Parks offensichtlich nicht vorbei gehen. Dennoch: Krimis legen immer die Abgründe der Gesellschaft offen. Blick man in sie hinein, ist es manchmal zum „Umkommen“. Matthias Hassenpflug

„Potsdamer Umkommen – Krimis aus einer ganz normalen Stadt“, Landbeck-Verlag, 14,80 Euro.

Matthias Hassenpflug

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