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Kultur: Ernst war nicht da

Knorkator spielte im Lindenpark auf und ein bunt gemischtes Publikum folgte ihnen

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Knorkator spielte im Lindenpark auf und ein bunt gemischtes Publikum folgte ihnen Ein randvoller Saal. Gefüllt mit einem unheimlich bunt gemischtem Publikum. Es waren Kinder, Eltern und Großeltern dort. Sie alle waren am Freitagabend in den Lindenpark gekommen, um Knorkator zu hören. Der Keyboarder der Band, Alf Ator, beschrieb die Musik Knorkators einmal als eine Kreuzung aus Industriemetall, Techno und Klassik. Vielleicht kann man aus dieser Definition ersehen, warum so viele unterschiedliche Menschen gekommen waren. Doch wie sich im Lindenpark gezeigt hat, ist es wohl noch mehr, was das Publikum an Knorkator so begeistert. Plötzlich wurde ein großes Bild auf die Bühne getragen und eine pompöse Musik schien etwas Pompöses anzukündigen. Aber man sah nichts davon. Doch dann traten Keyboarder Alf Ator und Gitarrist Buzz Dee, beide in rosa Fellhosen gekleidet, hinter dem Bild hervor und nun ging alles sehr schnell. Die Beiden begannen laut und schnell das erste Lied zu spielen. Dann durchbrach der Kopf des Sängers Stumpen die auf dem Bild gemalte Hundehütte und das Konzert hatte begonnen. Für diejenigen, die Knorkator nicht kannten, musste es unwirklich gewirkt haben, zu den folgenden kreischenden Gitarren und den schnellen Schlagzeugrhythmen eine Band zu sehen, die in steinzeitlicher Verkleidung über die Bühne tobte. Noch unwirklicher müssen sie es empfunden haben, als Stumpen sich dann aller Kleidung entledigte und nur noch mit einem String Tanga bekleidet irrwitzige Sprünge und Verdrehungen vollführte. Auch die späteren Aktionen, wie das Schmeißen von Toastbrot, das Zerstören eines Schaumstoffklaviers und die ständigen Küsse von Sänger Stumpen an alle anderen Mitmusiker war nun wirklich nicht das, was man sich zu der Musik vorstellen würde. Denn ihre Musik ist laut, brutal und doch voller Überraschungen, was nicht zuletzt an dem überwältigenden Tonumfang des Sängers liegt, auf den wohl manche Sopranistin stolz wäre. Aber auch die anderen Musiker von Knorkator bewiesen an diesem Abend, dass sie ihre Instrumente sehr gut zu kennen scheinen. Die Texte wiederum strotzen nicht von metallüblicher Weltuntergangsstimmung, sondern von den alltäglichen Dingen, besonders von denen unter der Gürtellinie, wie in dem Lied „Mich verfolgt meine eigene Scheiße“, indem es darum geht, wie man aus seinen lebendig geworden Exkrementen Geld machen kann. Wie passt nun also brachialer Metall mit der völlig unnormalen Bühnenshow zusammen? Es scheint eine Art Humor zu sein, die jenseits von Gut und Böse liegt. Denn ohne dass politische Parolen oder andere Kritik in Sarkasmus verpackt unter das Volk gebracht werden, machen Knorkator einfach das, was ihnen Spaß macht. Sie singen das, was ihnen gerade einfällt; schmeißen mit Sachen um sich, weil sie offensichtlich Lust darauf haben. Und da kann man eben auch ein ganzes Lied lang die mathematische Entfernung des Horizontes berechnen, wie in „Wie weit ist es bis zum Horizont“ von ihrer neuen CD „Ich hasse Musik“ geschehen und das Publikum freut sich darüber und grölt und jubelt lautstark. Am Ende des Konzerts war man vielleicht nicht intelligenter als vorher, aber man wusste, dass eines nicht da war, und das war Ernst. Philipp Rothmann

Philipp Rothmann

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