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Kultur: „Ernstfall Demokratie“ – Fundstücke Veranstaltungsreihe ab Montag im Filmmuseum

Die Dialoge sind oft hölzern und pathetisch, vieles wirkt verstaubt und klamottig. Und trotzdem muss man ständig schmunzeln und lässt sich hineinziehen.

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Die Dialoge sind oft hölzern und pathetisch, vieles wirkt verstaubt und klamottig. Und trotzdem muss man ständig schmunzeln und lässt sich hineinziehen. Denn die kleinen dokumentarischen Filme und Augenzeugen-Berichte, die das Filmmuseum für die Reihe „Ernstfall Demokratie“ ausgewählt hat, erzählen Zeit- und Filmgeschichte – in Ost und West. Es geht um die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, zwischen 1945 und Anfang der 50er Jahre. „Da ist nun endlich die deutsche Filmproduktion auf künstlerischem Gebiet von jeder politischen Bevormundung frei (...) und die deutschen Filme, was tun sie? Sie drehen primitivstes Mittelmaß: Sie bedienen sich antiquierter Ausdrucksmittel... Sie münzen die Misere unserer Zeit in kläglichste Aufbaupathetik um“, schrieb 1950 der Kritiker Wolfdietrich Schnurre. Natürlich gab es Unterschiede, ging die DEFA andere Wege als die Filmproduzenten im westlichen Teil Deutschlands. „Die ostdeutschen Filme zeigen die Geburt von Demokratie aus den Verhältnissen und ihre Gefährdung. Sujets und Tonfall der DEFA-Filme lassen das demokratische Potential im Lande aufscheinen und ermöglichen eine Interpretation der Anfänge im Osten Deutschland“, ist in dem Begleitheft zu der am Montag beginnenden Veranstaltungsreihe mit Filmen, Lesung, Vorträgen und hochkarätigen Diskussionen zu lesen. Über die westdeutschen Spielfilmproduktionen heißt es indes, dass sie „ohne Not im Bereich des allgemein Menschlichen bleiben, ohne eine wie immer geartete Behandlung und Berührung zeitkonkreter Umstände, noch gar Problemstellungen“. Die von Günter Jordan kuratierte Mammutveranstaltung „Ernstfall Demokratie. Fundstücke für eine politische Kultur in Deutschland“ möchte verlorene, vergessene, des Platzes verwiesene Filme ins Bewusstsein zurückholen und bekannte Filme neu sehen lassen, so der Programmmacher. Ziel sei nicht der Vergleich, sondern der Befund. „Es geht nicht um Ost und West, sondern um damals und heute. Die Herausforderung der Zeit wurde natürlich unterschiedlich gesehen und angenommen. Filmgeschichte und Gesellschaftsgeschichte laufen nicht synchron. Paradoxa machen die Sache spannend“, so Jordan. Die im Oktober und November laufende Reihe beziehe sich auch auf die aktuelle Situation des unübersehbaren Vertrauensverlustes in Politik, Politiker, Parteien und Institutionen. „Gefragt wird, ob der Staat mit seinen demokratischen Institutionen und Strukturen den Herausforderungen der heutigen Welt gewachsen ist. Woher rührt die Staatsgläubigkeit in Deutschland, ein Phänomen in West und Ost? Woher die Verwechslung von Moral und Gesetz bei der Diskussion um Demokratie? Was heißt Bürgergesellschaft, und wie kommt sie zustande?“ Volker Braun wird am Eröffnungsabend literarisch auf diese Fragen einstimmen. Er liest aus seinem Buch „Das unbesetzte Gebiet“. Es beschreibt 42 Tage im Mai und Juni 1945, als das erzgebirgische Schwarzenberg unverhofft zum Niemandsland wurde. Niemand war zuständig für sie, wer würde sie versorgen? „Unterdessen übte sich die Masse in ihrem Fach: zu warten. Das hatte sie gelernt, und unterhielt sie, und machte nichtsdestoweniger Mühe. Sie wartete auf die Besetzung. Es war kein frohes, es war ein banges Harren, auf ein unausweichliches, hartes Ereignis, den schrecklichen Schuss...“ Jä Auftakt am Montag, 24. Oktober um 18 Uhr mit „Vergeßt es nie – schuld sind sie! “ (DEFA 1946), „Todeslager Sachsenhausen“ (DEFA 1946), „Es liegt an Dir“ (D/Amerikanische Zone 1948); 19. 30 Uhr Lesung von Volker Braun, 21 Uhr „Freies Land“ (DEFA 1946), Einführung: Marianne Mückenberger.

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