Kultur: „Ersinnen, erlauschen“ Letzte „Dornenzeit“ in der Friedenskirche
Mit einer „Dornenzeit“ der etwas anderen Art ging die Veranstaltungsreihe der Friedensgemeinde fragend und suchend zu Ende. Die Passion, das Leiden und Sterben Jesu Christi, ist ja untrennbar, aber auch ganz unerforschlich mit dem Geheimnis von Gott und dem Leben verknüpft.
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Mit einer „Dornenzeit“ der etwas anderen Art ging die Veranstaltungsreihe der Friedensgemeinde fragend und suchend zu Ende. Die Passion, das Leiden und Sterben Jesu Christi, ist ja untrennbar, aber auch ganz unerforschlich mit dem Geheimnis von Gott und dem Leben verknüpft. Zur Verdeutlichung dieses „mysterium fidei“ griff man in der Friedenskirche auf das „Ikosaeder-Prinzip“ von Peter Rogge zurück, welches, von Hermann Hesses „Glasperlenspiel“ angeregt, die Wandlung und Verwandlung eines platonischen Körpers mit Texten des katholischen Priesters Uwe Wulsche und kongenialen Kompositionen des Potsdamer Kantors Matthias Trommer verbindet.
Der Ikosaeder ist ein regelmäßiger Zwanzigflächner voll ungeahnter Möglichkeiten, besser Inhalte: Rogge konstruierte das silbrige Ding als Summe zahlreicher Pyramiden, die sich durch Aufklappen nach Gusto als Fläche darstellen lassen, um sich amöbenhaft auf dem Boden auszubreiten. So entstehen „kosmische Urmuster“, zur gefälligen Meditation immer neu, immer anders, aber stets wahrhaftig. Mit theologischen Gedichten und guter Orgelmusik, diesmal von Girolamo Frescobaldi und den zeitgenössischen Komponisten Edgar Arro sowie Georgi Muschel verbunden, bot diese „Dornenzeit“ etwas zum großen Verwundern. Klaus Büstrin, welcher Wulsches Texte vortrug, lud die Dornen-Gemeinde denn auch ein, dieses Mysterium mehr zu „ersinnen und zu erlauschen", als sich ihm durch Nachdenklichkeiten anzunähern. Man saß im Kreis, als das Spiel begann. Peter Rogge entledigte sich zum „Entpacken“ des Corpus zuerst seiner Schuhe. Weitere Stationen, stets mit dem sich zur Fläche wandelnden Ikosaeder in den Farben Schwarz, Weiß und Grau verbunden, waren textierte Meditationen über „Augen“, „aufstehn“, „die dünne Haut panzern“, aber auch über die geometrische Figur des Dreiecks, Sinnbild für das „Auge Gottes“. Alles konzentriert sich in diesem Kristallkörper unendlicher Vielfalt: „miteinander einen baum/pflanzen gegen die angst/ein dach bauen gegen den ansturm des schmerzes/in unseren augen/den kristall leuchten lassen“. Die Passion Jesu scheint in der Unbegreiflichkeit des „Ikosaeder-Prinzips“ enthalten zu sein, mithin auch ihr Widerspiel, der sinnende, lauschende Mensch.
Matthias Trommers emotionsgeladene Klangminiaturen für einen Synthesizer beziehen sich direkt auf die Texte. So hat er in „Ordnung“ jedem Buchstaben einen Ton zugeordnet, um die „zufällig entstandene Melodie mit Methoden der Romantik“ zu harmonisieren, doch wie alle Menschenerkenntnis, blieb auch diese Vorstellung Fragment. Nach Wulsches Texten und der Entfaltung einer kleinbunten Pyramidenlandschaft hielt Peter Rogge inne. Noch wären etliche Tri-Eder zu öffnen, vieles zu ersinnen und zu erlauschen gewesen. Aber die Heilige Geometrie bewahrt ihr Geheimnis – wie das Mysterium vom Glauben und Leben. Gerold Paul
Gerold Paul
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