Kultur: Erst die Wirklichkeit, dann die Kunst
Zum 100. Geburtstag des Malers Paul August / Ausstellungseröffnung im Potsdam-Museum
Stand:
Potsdam, jawohl, ganz Potsdam war am Donnerstag in die Benkertstraße 3 geeilt, um den Pädagogen und Künstler Paul August zu ehren: Weggefährten, Malerfreunde, ehemalige Studenten seiner Seminare an der Fachschule für Werbung und Gestaltung, Privatiers und Offizielle, Familienangehörige, Politiker, so viele, dass die Ausstellungsräume des Potsdam-Museums im Holländischen Viertel zu bersten schienen.
Schon in seinem Todesjahr 1980 wurde eine retrospektive Werkschau dieses Mannes angemahnt, erst jetzt ist es mit den vereinten Kräften der Geschichtsabteilung vom Museum und des Potsdamer Kunstvereins verwirklicht. Anlässlich seines 100. Geburtstages kann man sich nun ein Bild von ihm machen. Es ist mit dem Abbild der Stadt seiner Lebzeit identisch.
Das „Malerhandwerk“ hatte Paul August Anfang der zwanziger Jahre schon in seiner ersten Heimat, im ostpreußischen Kaukehmen, gelernt. Nach dreijähriger Walz und einem Zwischenstop 1928 in Potsdam, wo er seine spätere Frau Erna kennenlernte, zog es ihn samt der neuen Familie vier Jahre später nach Kaukehmen zurück. Der Krieg endete für ihn 1943 im Feldwebel-Grad und einer Unterschenkel-Amputation. In Posen und Königsberg bildete er seine künstlerischen Fähigkeiten weiter, so dass er, im Zuge der Evakuierungen nach Potsdam zurückgekehrt, nunmehr befähigt war, zusammen mit Hubert Globisch, Walter Bullert, Otto Heinrich, Egon von Kameke und Hanns Klohss, die Kriegszerstörungen der Stadt künstlerisch zu dokumentieren. Otto Nagel hatte das angeregt, Stadtbaurat Neumann brachte es dann auf den Weg. Das Fotografieren und Filmen war ja 1945 verboten, Malen nicht. So entstand in den Folgejahren eine beeindruckende Serie von Zeichnungen, Grafiken und Aquarellen, welche die ersten beiden Räume in der Benkertstraße füllen: die fast zerstörte Glienicker Brücke, die Restfassade vom Stadtschloss, das Palais Barberini nebst Altem Markt, Breite Straße mit dem Stumpf der Garnisonkirche.
Eine Auseinandersetzung mit diesen Arbeiten hätte schon damals, schreibt Laudator Thomas Kumlehn, „einen weitsichtigen Umgang mit dem in drei Jahrhunderten gewachsenen Stadtraum Potsdams sein können“. Heute, wo man gerade den Entwurf vom Schloss fassadenmäßig rasiert, leuchtet das besonders ein.
Die Musikschüler Justus Beyer (Fagott) und Peter Scholz eröffneten die proppenvolle Vernissage mit einem Beethoven-Duo, letzterer überraschenderweise auf der Geige Paul Augusts. Reden der Anerkennung und des Dankes wurden gehalten, wobei Stadträtin Gabriele Fischer Wort hielt, als sie versprach, die Zuhörer nicht übermäßig „strapazieren“ zu wollen. Thomas Kumlehn, für Konzept und Ausführung dieser Schau zeichnend, ging in seiner Laudatio sehr sensibel auf den Jubilar ein, der kein „Ruinenmaler“ sein wollte, künstlerische Ambitionen zurückhielt und die Wirklichkeit vor das Bildwerk befahl. Das erleichtert dem Betrachter vieles, wenn er das graphische Talent von August bewundert, manche Aquarelle und Ölbilder späterer Zeit dagegen mit Abstand aufnimmt. Ein wirklich intelligentes Ausstellungskonzept: Zuerst die frühen Bilder der vierziger Jahre, von Vitrinen mit persönlichen Zeugnissen ergänzt. Nach hinten zu, an der originellen Rekonstruktion seines Arbeitszimmers im Wintergarten vorbei, entdeckt man im Neubau von Schwimmhalle oder Interhotel die Werke späterer Jahre. Auch Druckstöcke seiner Holzschnitte sind dort zu finden. Jetzt geht es nicht mehr weiter, man muss notgedrungen zu den Zerstörungen des Anfangs zurückkehren.
Über Augusts pädagogische Arbeit an der Fachschule, der Volkshochschule, im Künstlerverband und bei der Ausbildung von Restauratoren für die „Staatlichen Schlösser und Gärten“ informieren gut gestaltete Schautafeln; fabelhaft übriens auch das Faltblatt zur Exposition. Kurt Schifner nahm in den Brandenburgsichen Neuesten Nachrichten von 1974 die möglichen Haltungen zur Rezeption dieses Künstlers vorweg: Während von Kameke und Globisch die graphische Bewahrung der Trümmerwelt „mit Inngrimm“ ausführten, sahen Heinrich, Bullert und August in ihr „so etwas wie romantische ,Ruinenschönheit’“. Genau das empfindet man auch - das Bleibende in der Vergänglichkeit.
Bis zum 12. März, Benkertstraße 3
Gerold Paul
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