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Kultur: Erste Liebe

Twains „Tagebücher von Adam und Eva“ im Garten vorgelesen

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„Früher war es hier so schön ruhig“, notiert Adam in sein Tagebuch. Seitdem jedoch das „neue Geschöpf“ namens Eva im Garten Eden aufgetaucht ist, grämt sich Adam, wünscht sich, dass es lieber bei den Tieren geblieben wäre und wundert sich, dass plötzlich auch er das Wort „wir“ im Munde führt. So amüsant und humorvoll schildert der große amerikanische Erzähler Mark Twain in seinen 1893 erschienenen „Tagebüchern von Adam und Eva“ den Beginn der ersten Liebesgeschichte aller Zeiten.

Für die Lesung am Samstagnachmittag, auf der die Schauspielerin Tanja Fornaro und ihr Kollege Steffen Groth diese so zeitlos anmutende Geschichte in Szene setzen, ist Adams und Evas Paradies direkt an das Ufer des Tiefen Sees, in den sattgrünen Garten der Familie Völker, verlegt worden. Eine treffliche Wahl. Bei Sonnenschein und angenehmer Brise sitzt man unter der Krone einer riesigen Weide und genießt den herrlichen Seeblick. Und während die beiden Akteure den Text bravourös zum Leben erwecken, schippern im Hintergrund einige Boote vorbei.

Dass das Publikum diese besondere Atmosphäre längst zu schätzen weiß und die Lesung lange vorher ausverkauft war, bestätigt die erfolgreiche Tradition, auf welche die Urania Potsdam zurückblicken kann. Seit nunmehr zehn Jahren veranstaltet der Verein unter dem Motto „Im Garten vorgelesen“ jeden Sommer in verschiedenen Privatgärten Lesungen und hält dabei auch immer wieder Überraschungen bereit. So hat man an diesem Nachmittag häufig den Eindruck, man vernähme Twains Geschichte von Adam und Eva beinahe als Hörbuch, und das nicht von ungefähr. Denn sowohl Tanja Fornaro als auch Steffen Groth, aber auch Dirk Wilhelm, der das reizvolle Lesewechselspiel der beiden auf seiner Akustikgitarre mit kurzen melancholischen, betörend fragilen Eigenkompositionen begleitet, gehören zum künstlerischen Team der Lauscherlounge, eines renommierten Berliner Labels für Hörbücher und Hörspiele.

Tatsächlich ist es ein Genuss, Steffen Groth zuzuhören, wie der sich mit ziehend klagender Stimme, unter vergnügtem Gelächter des Publikums, darüber empört, dass Eva allen für ihn nur nutzlosen Dingen Namen gibt oder, wie er später betonungsreich rätselt, welch „zoologisches Kuriosum“ sein erster Sohn Kain doch sei.

Nicht weniger fasziniert Tanja Fornaro mit ihrer frischen klaren und doch lieblich warmen, stets neu variierenden Stimmkraft. Anders kann eine Eva gar nicht geklungen haben, etwa wenn sie sich selbstvergessen am Waldsee mit ihrem Spiegelbild unterhält, wenn sie erstaunt ist, dass der Mond bisweilen verschwindet und die Sterne so nah und doch nicht zu greifen sind. Bitter klagt sie über die fehlende Empathie Adams und fühlt sich zugleich zu ihm hingezogen. Eva benennt die vielen Wunder der Natur, bringt die Dinge voran und isst schließlich die Frucht der Erkenntnis. Damit bringt sie den Tod, aber gleichzeitig auch die Liebe in die Welt.

Lang und herzlich erklingt anschließend der Beifall der Gäste, denen recht überraschend sogar noch ein kurzes indisches Märchen als Zugabe geboten wird. Wie Twains Roman belächelt es humorvoll versöhnlich die menschlichen Schwächen, nimmt es ebenfalls die Temperamente von Mann und Frau aufs Korn und ist die Krönung einer Lesung der Extraklasse. Daniel Fügel

Daniel Fügel

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