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Kultur: Erwartungsfroh

Bachsche Orgelmusik in der Nikolaikirche

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Der Stern von Bethlehem leuchtet alle Jahre wieder sein mildes Licht aus der erleuchteten Kuppel der Nikolaikirche. Am Adventskranz ist die zweite rote Kerze entzündet. Auch ihr Leuchten gibt der Sehnsucht nach Licht, Wärme und Geborgenheit einen stimmungsvollen Ausdruck. Gesellt sich an solchem Ort der inneren Einkehr noch passende Musik hinzu, sind der seelischen Erbauung Tür und Tor geöffnet. „Mit Bach in den Advent“ nennt Nikolaikirchenkantor Björn O. Wiede seine Orgelmusikofferte an die Potsdamer, und viele nehmen sich die Zeit für „hingebende und freudige Erwartung“, wie es in der Grundordnung des Kirchenjahres so schön heißt.

Was könnte besser dazu passen als jene dreifachen Bearbeitungen des Chorals „Nun komm, der Heiden Heiland“ BWV 659 bis 661, die inhaltlich zusammen passen und also verstanden werden können. Mal liegt dabei der reich verzierte Cantus firmus im Sopran, mal im Pedal, und so sind die Strophen dieses dreifachen Lobpreises auf unterschiedlichste Weise ausgedeutet. Danach deklamiert Wiede ihn in voller Textlänge, spielt anschließend seine Improvisation darüber, indem er die Melodie des Chorals mit der Tonfolge b-a-c-h einprägsam verknüpft. Zu einer schneidenden Diskantstimme treten nach und nach weitere Register hinzu, so dass sich der Klangraum unaufhörlich erweitert. Dissonanzenreiche Verschränkungen erinnern zuweilen an meditative Eingebungen von Olivier Messiaen. Improvisationsfreudig zeigt sich Wiede ebenfalls in seinen modern anmutenden Stegreifgedanken über den Choral „Wachet auf, ruft uns die Stimme“, wobei man Bachs bekannte Melodie allerdings vergebens sucht. Dessen Original erklingt jedoch zuvor: eilend, freudig bewegt, mit filigraner und verspielter Oberstimme in einer reizvoller Mixtur aus schnarrenden Registerstimmen. Da kann die Kreienbrinksche Altarorgel ihren klaren, farbenreichen, leuchtenden Klang genauso auf das Vorzüglichste vorzeigen wie in der Choralbearbeitung „Es ist gewisslich an der Zeit, dass Gottes Sohn wird kommen“ BWV 734. Zwischen den Wachaufrufen trägt Wiede zwei passende Jesaia-Texte vor, in denen es heißt, dass die Heiden zum Lichte ziehen werden und man der Tochter Zions sagen möge, es werde zu ihr Heil kommen. Wenn das keine Freudenbotschaften sind?

Dazu passend drei Sätze aus dem F-Dur-Pastorale BWV 590, einer Hirtenmusik durch und durch weihnachtlichen Charakters. Da fühlt man sich unweigerlich an die wiegende Sinfonia erinnert, mit der sich die zweite Kantate aus dem „Weihnachtsoratorium“ einleitet. Silbrig getönte Soloregister, die celestaähnlich klingen, bestimmen das verspielte Andante. Der Tremulant sorgt im Larghetto für eine schwebend-pulsierende Leichtigkeit. Das abschließende Vivace lässt der Organist wie einen glasklaren Bach munter sprudeln. Ohne registrierende Mätzchen erklingen Präludium und Fuge C-Dur BWV 546 voller Lauffreude in schlichter Größe. Wie sich Johannes Brahms an Bachs Doppelpackspezialität orientiert hat, wird in dessen Präludium und Fuge g-Moll sehr deutlich. Da trifft romantischer Stil auf barocken Kontrapunkt, sorgen gedeckte Farben für Kuschelsound, wirkt manche volltönende Passage regelrecht orchestral. Seelenerbaut kehrt man in den schneegrauen Alltag zurück. Peter Buske

Peter Buske

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