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Kultur: Es brennt an allen Ecken

Filmklassiker vorgestellt: Milos Formans „Der Feuerwehrball“ im Filmmuseum / Von Lena Hoffmann

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Vor allem Babelsberger Filmgeschichte wird im Filmmuseum gehegt und gepflegt. Das heißt, die vielfältigen Dokumente, Kostüme, Technik, Nachlässe werden gesammelt und dem Publikum präsentiert. Und natürlich kommen cineastische Kostbarkeiten zur Aufführung. In unserer Serie „Filmklassiker vorgestellt“, die gemeinsam mit dem Museum entstand, stellen wir heute den Film „Der Feuerwehrball“ (1967) von Milos Forman vor

Bevor er mit der amerikanischen Produktion „Einer flog über das Kuckucksnest“ weltweit Bekanntheit erlangte, sollte „Der Feuerwehrball“ Milos Formans letzter Film werden, den er in der Tschechoslowakei drehte: Scheinbar Unvorhergesehenes ereignet sich während eines Feuerwehrballs in einer böhmischen Kleinstadt. Neben einer Tombola, deren Preise allesamt entwendet werden, einer Misswahl, deren Anwärterinnen sich nicht auf die Bühne trauen, ist es vor allem die vorgesehene, in dem Getümmel aber in Vergessenheit geratene Ehrung des dienstältesten Kameraden. Offiziös und uniformiert tritt das Festkomitee an, entpuppt sich aber schnell als eine Truppe ungeschickter Tölpel. Weder weiß es den weite Kreise ziehenden Diebstahl aufzuklären, noch die scheuen Schönen zu bändigen. Dass diese Vorführung menschlichen Unvermögens den tschechischen Parteibürokraten missfiel, verwundert heute kaum. Der Vorwurf: Forman verspotte das einfache Volk. Die Darstellung der stets auf ihren eigenen Vorteil bedachten Komiteemitglieder legt jedoch nahe, dass sich Forman zuallererst über die Funktionäre seines Landes lustig machte. Nach nur drei Wochen wurde der Film aus den Kinos verbannt.

Die Kritik, Forman ziehe den „kleinen Mann“ durch den Dreck, brachte auch der italienische Produzent Carlo Ponti vor. Er verlangte seine stattliche Investition zurück. Doch nicht nur kommunistische Amtsträger und kapitalistische Geldgeber waren sich einig, auch die bundesdeutsche Presse schloss sich dem Vorwurf an. In der Süddeutschen Zeitung hieß es, menschliche Verhaltensweisen würden mit „elitärer Arroganz“ „bösartig in die Groteske“ gesteigert. Eine „Orgie der Abscheulichkeiten“, wetterte der Spiegel.

Übersehen wird dabei die Scharfsinnigkeit, mit der Forman menschliche Schwächen genau zu identifizieren weiß, und seine meisterhafte Hingabe, diese auf eine höchst amüsante Weise vorzutragen. Mit unverklärtem Blick zeigt Forman auf, was uns auch heute tagtäglich begegnet: die Inkompetenz vermeintlich Kompetenter, die Unentschiedenheit von Entscheidungsträgern und die fehlende Autorität offizieller Autoritäten. Ohne Überheblichkeit entwickelt Forman den Stoff aus dem betreffenden Milieu heraus. Die Ereignisse – so berichtet Forman in seiner Autobiographie – gehen auf eine wahre Begebenheit zurück. Die Darsteller des Films waren allesamt Laien, die meisten Dialoge improvisiert.

Eindrucksvoll gelingt es Forman, sich nicht mit bloßen Albernheiten zu begnügen, sondern seiner Satire einen bitter-melancholischen Unterton zu verleihen. Begleitet von einer erbarmungslos stampfenden Musikkapelle, heizt sich die Stimmung im Festsaal immer weiter auf. Rempelnde, lautstarke Feierlustige drängen sich ins Bild. Gerade als der Höhepunkt erreicht ist und die Kamera sich in verwackelten, unscharfen Bildern zu verlieren droht – eine erste Außenaufnahme. Im Dorf ist ein Haus in Flammen aufgegangen. Vom Ball eilen die Feuerwehrleute und Festgäste herbei. Doch der Löschwagen bleibt im Schnee stecken und so muss ein alter Mann hilflos mit ansehen, wie die lodernde Zerstörung ihren Lauf nimmt. Am Ende des Films schneidet Forman wieder auf die ausbrennende Ruine. Inmitten der verwüsteten Schneelandschaft steht ein Bett, in das sich der ehemalige Hausherr schlafen legt.

Solch ein tragisches Ende sollte dem Film selbst nicht zuteil werden. Nachdem Forman 1967 seinen Freunden Claude Berri und François Truffaut den Film präsentiert hatte, zahlten diese Ponti aus, erwarben die Rechte an dem Film und brachten ihn in den Westen. Rückblickend sagt Forman, sei dies seine Fahrkarte nach Amerika gewesen.

Lena Hoffmann ist Mitarbeiterin des Filmmuseums Potsdam

Am 16. März um 18 und 22 Uhr sowie am 17. März um 20 Uhr als Original mit englischen Untertiteln im Filmmuseum, Breite Straße 1A

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