Kultur: „Es muss weitergehen, Stück für Stück“ Das Theater Comédie Soleil nach einem Jahr
Von Gerold Paul Das verflixte erste Jahr macht der Mannschaft um Michael Klemm ganz schön zu schaffen. Allewege kämpfen bauliche und andere Tücken rund um die „Comédie Soleil“ mit dem Herzblut der Theatermacher, in der Feuerbachstraße 3 einen „freien Ort des Denkens“ zu erschaffen, ästhetisch, synergetisch, mit Strahlung für die Stadt.
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Von Gerold Paul Das verflixte erste Jahr macht der Mannschaft um Michael Klemm ganz schön zu schaffen. Allewege kämpfen bauliche und andere Tücken rund um die „Comédie Soleil“ mit dem Herzblut der Theatermacher, in der Feuerbachstraße 3 einen „freien Ort des Denkens“ zu erschaffen, ästhetisch, synergetisch, mit Strahlung für die Stadt. Doch trotz monatlich wechselnder Produktionen ist Potsdams einziges Privattheater im etablierten Kulturbetrieb seit Oktober 2004 ein Mauerblümchen eher, das Publikum wartet ab, die vermeintliche Konkurrenz scheint mit überlegener Miene sagen zu wollen: Lasst sie mal machen... Die noch immer mauen Zuschauerzahlen sprechen möglicherweise dafür, das ungeheure Engagement des gesamten Ensembles unbedingt dagegen. Obwohl die Premiere des „Tartuffe“ (28.7.) vor der Tür steht und fast die gesamte Truppe quasi „am Bau“ schaffte – einer sollte Gips besorgen, der Hauptdarsteller von Molières Komödie bastelte an den Toiletten – nahm sich der Regisseur, Autor und Musiker Zeit für ein Gespräch mit den PNN. Wohin, Herr Klemm? Er bestätigte sofort das schwere erste Jahr, glaubt aber, mit der Erfolgskomödie „Bitte nicht stören“ und dem „Theater-Dinner“ endlich ein Stück aus dem Hafen herausgekommen zu sein. Der beschrittene Weg sei „gut“, nun aber müsse „mehr Dynamik“ her. Alltagssorgen behindern den künstlerischen Produktionsprozess im angemieteten Haus („Hardware“) von Anfang an: Äußerst knappe Kassen, das Gebäude nicht fertig, keine Mittel, sich an den Litfaßsäulen der Stadt zu präsentieren, denn Subventionen gibt es nicht, überhaupt lasse sich so ein Unternehmen – „das soll ja fest werden!“ - nicht aus der Portokasse bezahlen. Man lebt von der Hand in den Mund, keiner verdient sich eine goldene Nase. Was er als Gastregisseur auswärts einfährt, das steckt er in sein „Soleil“ – Idealismus pur. Also sucht der „Existenzgründer“ einen theaterverrückten Sponsor, welcher dem nun durch Eckhard Becker verstärkten Team hilft, weiter ins offene Fahrwasser zu kommen. Potsdam („will hier nicht mehr weg“) ist ja sein dritter Anlauf. „In Berlin“, wo er sechs Jahre lebte, „hätte ich so etwas nie gemacht“. Klemm setzt auf den Zuschauer. Dreißig bis vierzig pro Vorstellung, und man wäre aus dem Schneider. Synergie durch Öffnung des oberen Raumes, wo man sich über das Gesehene „die Köpfe heißreden“ möge, persönliche Bindungen: „Wir fangen jeden Zuschauer einzeln ein“. Einige gehören inzwischen tatsächlich zum Stammpublikum. Bei konstant moderaten Preisen will er sie mit anderen Stücken als beim „Stadttheater“ locken, „Inhalte machen“, nicht Geschäfte, vor allem will er Öffentlichkeit. Wer das „Soleil“ je besucht hat, weiß was gemeint ist. Dafür „zerfetzt“ man sich tatsächlich: Tags wird gebaut, abends spielt man. „Wir kratzen überall Geld zusammen, um Potsdam etwas zu bieten“, und fügt vorsichtshalber hinzu „ich habe keinen reichen Papa!“ Nebenher holt er sich interessante Musiker auf die Bühne, stellt mit „Slow and easy“ auch Selbstkomponiertes zur Diskussion. „Cinéma Soleil“ zur Teezeit soll folgen. Unbekannter Gastspielbetrieb: „Death Row Valley“ in der „völlig anderen Welt“ des Tegeler Knasts, „Bitte nicht stören“ lief jüngst in Wismar. „Tartuffe“ will er auf dieser „¾-Baustelle“ etwas außerhalb der Molière-Zeit ansiedeln, um mit schmunzelnden Grauen „Verblendungen“ zu zeigen, religiösen Fanatismus; schön, wenn man dafür auch mal andere Theatermittel bemühen wollte. Detlef Brand spielt die Titelfigur, Becker den Orgon, Klemm selbst begnügt sich mit der „langweiligen Rolle“ des Cléante. Zum Herbst plant man die Fortsetzung der „Blue Moon“-Story mit eigenen Erlebnissen in Potsdam sowie ein Stück des Inders Tagore. Keine Zeit, sich um die städtischen Theaterkollegen zu kümmern – wie umgekehrt auch. „Es muss unbedingt weitergehen, Stück für Stück“.
Gerold Paul
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